http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0131
6
Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft (März 1932.)
Warum wehrst du dich nicht? Aber die Frau, eine tiefreligiöse Natur voller
Gottergebenheit, wehrte sich nicht, sondern betete und entwaffnete ihn dadurch
. Auch mit dem Gedanken, die Kinder umzubringen, trug er sich, ohne
die Kraft zur Ausführung dieser Tat zu finden. Wenn ihn seine Frau in die
Kirche schickte, wozu er sich nicht von selbst entschloß, und sie fragte ihn
nach der Rückkehr über den Inhalt der Predigt, dann antwortete er in der
Regel: „Laß mich in Ruhe, ich höre von allem nur das1 Amen!" Zum Gebet
vermochte er sich nicht aufzuraffen, wie oft ihn seine Frau auch darauf hinwies
; aber wenn diese selbst zu beten begann, war es, wie wenn davon eine
Kraft auf ihn überströmte, und er konnte dann häufig sagen: Du allein bist noch
mein Halt! Als sich in den letzten Monaten seines Lebens sein Zustand verschlimmerte
, rief er manchmal weinend aus: Gibt es für mich auch noch eine
Rettung? Nimmt mich der Heiland „so" auch noch an — wenn es einen
gibt? Antwortete ihm dann seine Frau: Freilich, er hat doch sein Blut auch
für dich hingegeben, und auch für dich gelten die Worte: „und wenn deine
Sünden gleich blutrot wären, so sollen sie doch schneeweiß werden", dann
brach er erneut in Tränen aus. In den letzten sechs Wochen war er fast immer
in großer Angst und rief fortgesetzt nach seiner Frau, faßte sie, wenn sie
kam, an beiden Händen, und ließ sie nicht mehr los. Er fürchtete sich nicht
bloß vor dem Alleinsein, sondern auch vor der Dunkelheit, und war vom Einbruch
der Dämmerung an nicht mehr imstande, allein auf den Speicher oder
in die Scheuer zu gehen. Eines Nachmittags fand ihn seine Frau bei der Heimkehr
vom Feld erhängt vor. Man schnitt ihn ab und bahrte ihn in einer
Kammer des Erdgeschosses auf einem eichenen Bettgestell auf. Gleich am
nächsten Tage begann die Bettlade an allen Fugen zu kra-
chen, daß alle, die es hörten, ein Grauen überfiel. Das
Krachen nahm von Stunde zu Stunde zu und wurde schließlich
so schauerlich, daß niemand mehr in die Kammer
hineingehen wollte. Da man fürchtete, die Bettladekönnte
plötzlich in sich zusammenbrechen, unterbaute man sie
mit einem Gestell, obwohl sie so stark war, daß sie noch
heute ihre Dienste tut. Drei Tage und drei Nächte lag der
Tote im Haus, und eben so lange dauerte das Krachen der
Btttlade. In der Nacht vor der Beerdigung saß die Schwester der Frau
im Wohnzimmer des ersten Stocks, während diese selbst wachend in dem
da ran stoßenden Schlafzimmer im Bette lag. Bei der Leiche war niemand. Es
war ii Uhr und Spätherbst. Im Wohnzimmer brannte Licht, die zum Schlafzimmer
führende Tür stand offen. Beide Fraaen befanden sich eben im Gespräch
, als plötzlich ein Blasen und Fauchen begann, das immer stärker
wurde und schließlich in ein lautes Klogen und .,Heulen" überging
, das mit kurzen Unterbrechungen bis früh 6 Uhr fortdauerte. Die Frauen
wurden ob dieses grauenvollen Schauspiels von solcher Angst erfüllt, daß sie
längere Zeit sich nicht mehr zu sprechen getrauten. Nach etwa einer halben
Stunde stieß die Schwester die Frage hervor: Was ist denn aber auch das?
Weiter brachte sie nicht heraus. Zum Anreden des Spuks fand keine von
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0131