http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0139
114
Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft (März 1932.)
nun gepfiffen? Nach allem, was wir vom Spuk wissen, kein anderer als der
Verstorbene selbst, der sich seines neuen Zustands noch nicht bewußt geworden
war und noch in dem Wahne lebte, er wandle noch in Fleisch und Blut auf
Erden. Er spielte die Rolle, die er einst im Leben gespielt hatte, noch einige
Tage nach dem Tod als Nachtwandler weiter, kam dann aber wohl bald zur
Klarheit, denn es blieb bei diesem einen Pfiff.
Jenseitige Musik.
Vor einigen Jahren starb in R. die fromme Tochter einfacher, gottergebener
Eltern. Am Abend ihres Sterbetags ertönte aus der Ofenecke eine
wunderbare Musik! Die Leute, es haben's der Mann, die Frau und die zweite
Tochter gehört, beschreiben diese Musik als außerordentlich wundervoll. Der
Sterbetag war ein Samstagabend, meines Erinnerns. Am folgenden Sonntagmittag
als die Familie in der Sterbestube, ihrem gewöhnlich benützten Aufenthaltsraum
, saßen, ertönten wieder diese herrlichen Töne. Der Vater war so
überrascht, daß er seine Angehörigen aufforderte, doch einmal aus dem Fenster
nach der Straße zu schauen, wo denn da die Musik herkomme!, doch überzeugten
sich alle drei, daß die wundervollen Töne wieder von der Ofeneteke
hervortönten i — Auch solche Fälle sind nicht so selten wie man meint. Musik
ist, wo immer sie auch aus dem Unterbewußten erklingen mag, stets der symbolische
Ausdruck eines feierlich erhobenen, harmonischen Seelenzustands.
Das singende Vögelein.
In P. starb am 3o. Januar 1926, abends 7 Uhr, ein 13 jähriges Mädchen
nach kurzer Krankheit. Etwa eine Viertelstunde vor dem Eintritt des Todes
hörten die Eltern und die Großmutter vor dem etwas geöffneten Fenster zweimal
ganz deutlich einen Vogel trillern, wie man es im Winter zu dieser Stunde
nicht gewohnt ist. Auf die von der Mutter an ihr sterbendes Kind gerichtete
Frage, ob es das Vögelchen gehört habe, schien es leicht zu lächeln, sagte aber
nichts mehr. Am Tag der Beerdigung, etwa eine Stunde vor dem Trauerakt
ließ sich das gleiche Vogelgezwitscher wieder hören, und zwar wie von einem
unmittelbar am Hause stehenden Baum. Die Mutter hatte sich, um auszuruhen,
ans Fenster gesetzt und dieses geöffnet, als ihr das rätselhafte Vogelgezwitscher
wieder entgegenklang. Einen Stock tiefer hörte es auch das Dienstmädchen»
das sich gerade in dem Zimmer befand, neben dem die Tote aufgebahrt lag.
Es kam dem Mädchen so unerwartet und wirkte, wie es sagte, ,,so eigen und gewissermaßen
schreckhaft", daß es ans offene Fenster trat, um nach dem Vogel
zu sehen. Es sah aber keinen. Die den gebildeten Kreisen angehörigen Eltern
halten angesichts aller Umstände für ausgeschlossen, daß das Gezwitscher von
einem Vogel kam. Das verstorbene Kind hatte, wie mir sein Vater ausführlich
mitteilte, stets eine besondere Vorliebe für Tiere, Blumen und die gesamte
Natur, und sah schon von seinem zweiten Lebensjahr in Wald und Feld Dinge,
die andere nicht sahen. Das Vogelgezwitscher korrespondierte also mit dem
Seelenzustand des Kindes durchaus, und die Vermutung, daß es dessen traumhaft
symbolischer Ausdruck war, ist, wenn man den Fall mit andern ähnlichen
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0139