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Zeitschrift für Parapsychologie. 4. Heft. (April 1932.)
Der Freiwillige K. tritt im August 1914 in die erste französische Fremdenlegion
ein und wurde nach Algerien geschickt. Auf sein eigenes Ansuchen, auf
dem französischen Boden kämpfen zu können, wurde er am 8. Mai 1917 in die
französischen Schützengräben geschickt. Er wurde am 20. August an dem
Flusse Meuse verwundet, aber am 21. September war er schon wieder in den
Schützengräben. Am 26. April 1918 fand der große Angriff der Legionäre in
Nordfrankreich, departement de la Somme, statt. Sie wurden an einer Stelle
eingesetzt, wo die Engländer sich zurückzuziehen anfingen und die Deutschen
die französischen Linien zu durchbrechen drohten. Die Verluste waren damals
enorm, aber die französischen Stellungen zu nehmen, gelang nicht. Unter den
Gefallenen war auch der Freiwillige K., wie die Eintragung in seinem Militärbuche
beweist. In der Kolonie war er als stiller, bescheidener und ehrenhafter
Mensch bekannt.
Das ist alles, was wir Ihnen vorläufig mitteilen können. Wir haben auch
die Nachricht von seinem Tode der Frau D. geschickt.
Wir empfehlen uns mit dem landsmännischen Gruße
Kucerova, Sekretärin,
Der geschilderte Fall weist einige Eigentümlichkeiten auf, die vom theoretischen
Standpunkte bemerkenswert sind. Vor allem ist es schwer anzunehmen,
daß es sich hier um das Hellsehen in der Gegenwart handelt, «da im September
1917, als Herr K. im fieberhaften Zustande jene Vision hatte, sein Bruder nicht
mehr in Algerien, sondern an der französischen Front war, so daß nicht vorausgesetzt
werden kann, daß er im Zustande einer gewissen geistigen Freilösung»
von seiner jeweiligen Umgebung — welcher Zustand bekanntlich für das Eintreten
der supranormalen hellseherischen Fähigkeit besonders günstig ist —
mit* seinem geistigen Blicke das Ereignis, welches sich eben am Rande der afrikanischen
Wüste abspielte, hätte sehen können. Im September 1917 war vielmehr
der Bruder des Herrn K., wie festgestellt ist, verwundet und lag daher wahrscheinlich
im Lazarett.
Die wahrscheinlichste Erklärung der Vision könnte demnach sein, daß der
Legionär K. in der verhältnismäßigen Stille und Ruhe eines Krankenhauses und
sicher nicht allzu schwer verwundet, wenn er schon wieder nach einem Monat in
die vorderen Linien zurückkehren konnte, konzentriert an seinen Bruder im
Pra%, den er schon so lange nicht gesehen hatte, dachte und dabei in Gedanken
wieder Algerien besuchte, wo er vor seiner Ankunft auf dem französischen
Kriegsschauplatz den schweren und gefährlichen Wachtdienst auf der Wüste oft
ausübte. Das Ergebnis dieser scheinbar zufälligen Gedankenkombination war
dann die Vision des Herrn K. in Prag, die um so merkwürdiger und überzeugender
ist, weil Herr K. nicht nur keine geringste Ahnung vom Militärdienste
seines Bruders hatte, sondern um so weniger sich denselben bewußt in der Uniform
eines Fremdenlegionärs in der afrikanischen Wüstengegend vorstellen
konnte. Wie bekannt, wird aber gewöhnlich in den Fällen der durch telepathischen
Einfluß einer bestimmten Person hervorgerufenen Visionen in der
aufnehmenden Person regelmäßig eine mehr oder weniger klare Vorstellung;
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