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Sünner: Ergänzende Mitteilungen zu dem Spukfall in Charlottenburg 165
Ich werde Ihnen nun hiermit mein ganzes Erlebnis der Spukgeschichte von Anfang
an unterbreiten1). —
Zur Zeit war ich i5Jahr alt, etwa igo5, ich hatte noch einen Bruder \on
i3 und eine Schwester von ti Jahren. Wir wohnten in Derendorf bei Düsseldorf
, Rethelstr., dort fing es eines Abends, als wir Kinder zu Bett gingen, leisef
an zu klopfen und zu kratzen. Wir Kinder achteten nicht darauf, es wurde
dann etwas stärker, wir störten uns nicht daran und es wurde wieder ruhig.
Wir wohnten dort aber nicht mehr lange. Warum wir ausgezogen sind, weiß
ich nicht mehr, wir zogen dann zur Ahnfeldstraße. Unsere Wohnung bestand
aus 2 Zimmern im 3. Stock und einer Mansarde, auf dem Mansardenzimmer
schliefen wir Kinder. Eines Tages erhielten wir Besuch von einer Kusine, die
auch in meinem Alter stand, sie blieb etliche Tage bei uns, sie schlief dann
mit in meinem Bett, auch meine jüngste Schwester, mein Bruder hatte sein
Bett für sich und schlief uns schräg gegenüber. Wir erzählten und lachten*
plötzlich hörten wir wieder leises Klopfen und Kratzen, wir horchten auf und
waren still, da hörten wir von dem Schließkorb, den meine Kusine mitgebracht
hatte, der. Deckel mehrmals auf und zu gehen. Eine Zeitlang ging das so,
schließlicl wurde es mir zu toll, ich sprang auf, weil ich vorne schlief und
fühlte in den Korb, es war alles dunkel im Zimmer, Licht durften wir Kinder
nicht haben. Ich glaubte zuerst, es sei eine Katze in dem Korb, es war aber
der Muff und Pek meiner Kusine. In der Zeit, wo ich auf war, war alles
still; ich legte mich wieder hin, da ging die Geschichte wieder \on neuem
los, es wurde sehr schlimm mit dem Deckel, so daß wir Angst bekamen und
alle laut schrien, der Vater kam dann herauf und wir erzählten ihm alles,
er schimpfte mit uns sehr, und warf den Korb auf den Speicher und ging dann
wieder hinunter. Kaum war er unten, da fing dasselbe Theater mit einem IIolz-
koffer an, der Vater kam durch unser Geschrei wieder herauf und warf den
Koffer auch auf den Speicher und sagte: ,,Das wollen wir aber doch mal sehen,
was das ist4', und setzte sich in eine Ecke auf den Boden hin. Er hatte seine
lange Pfeife bei sich, ich sagte noch: „Vater, lege die Pfeife fort, gleich kommt
der Spuk und nimmt sie dir weg." Kaum halte ich das gesagt, da wurde «leim
Vater die Pfeife aus dem Mund gezogen, er sprang auf und lief davon, holtet
die Lamp», man sah nichts, die Pfeife lag auf dem Boden. Diese Nacht blieb
die Lampe an und wir hörten nichts mehr So ging das nun von Abend zu
Abend von 8—*? Uhr nachts, aber nur im Dunkeln. Da wir Kinder uns nun
daran gewöhnt hatten und wir nicht mehr bange waren, stellte ich eine große
Kiste, worin meine Mutter nur Flickzeug hatte, in die Mitte des Zimmers,
rechts und links der Kiste stellte ich je einen Stuhl, dann Jief ich schnell
wieder ins Bett. Plötzlich gab es einen Radau, die Stühle wackelten hin und
her, ich sprang wieder auf und wollte es fassen, machte Licht, da hatten wir
die Bescherung, die ganzen Flicksachen aus der Kiste lagen im Zimmer umhergestreut
. Ans Schlafen dachten wir überhmpt nicht mehr, wir Kinder hatten
unsere Freude daran und zogen alles ins Komische, wir sangen oft leise lustige
l) Die nachfolgende ausführliche Wiedergabe erfolgt, um die Anschaulickkeit
der Darstellung möglichst zu wahren, mit Einwilligung der Briefschreiberin.
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