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Kopf mit scharfen, offenbar abgeschnittenen R indern ii den Mull gesteckt und mit
dem Mund des» Mediums festgehalten wurde. Mrs. Duncan ließ sich völlig ausziehen
, sie wurde vaginalen und rektalen Untersuchungen ausgesetzten ein eigenes
Sit/ungskostüm mit Garn \on wechselnder Farbe und besonderen Stichen eingenäht
(woraus sie aber den Arm aus den in Fäustlingen ausmündenden Aermeln
ziehen und oben am Hals herausstrecken konnte, wie sich dann zeigte), ohne c'aß
dies die Phänomene beeinträchtigt hatte. Dagegen war eine Sitzung in der London
Spirituaiist Alliance (in der man gleichfalls Verdacht geschöpft hatte) negativ
, als man ihr ein farbiges Präparat zu schlucken gab. Bei Price kam es nicht
mehr zu einer derartigen Probe, weil das Ehepaar Duncan nach der 5. Sitzung
fluchtartig London verließ und zu weiteren, mit Price vereinbarten Sitzungen
nicht mehr erschien. Price hatte allerdings vorher dem Ehemann des Mediums
seine Verdachtgründe mitgeteilt, wobei dieser eine ziemlich klägliche Rolle spielte.
Er gab zu, daß seine Frau möglicherweise in einem Benommenheitszustand die
Dinge vor den Sitzungen verschlucke, suchte aber auf jeden Fall sich selbst zu
salvieren. Nachdem ihn Price und seine Mitarbeiter aut ihren Verdacht aufmerksam
gemacht hatten, teilte er sie den Londoner Spiritisten mit, als sei er selbst
aut den Oedanken gekommen. In der 5. Sitzung wurde mit Frlaubnis des Mediums
(resp. ihres „Kontrollgeistes") ein Stück von einem aus ihrem Mund hangenden
„Teleplasmastreifen" abgeschnitten, dessen ehemische und mikroskopische Analyse
einwandfrei zeigte, daß es sich um eine billige Papiersorte handelte. Der
chemische Sachverständige der englischen Papierindustrie, Mr. W. Bacon, stellte
Price sogar ein aus einer bestimmten Papiersorte hergestellte* Präparat zur Verfügung
, das genau dasselbe mikroskopische Bild zeigt wie Mrs. Duncans „Teleplasmastreifen
". Mr. Duncan und seine Frau hatten sich prinzipiell bereit erklait,
von Mrs. Dui can Röntgenaufnahmen machen zu lassen. Als im Anschluß an die
4. Sitzung diese Aufnahme gemacht werden sollte, bekam das Medium jedoch
plötzlich einen hysterischen Anfall und lief im Sitzungskostüm aut die Straße,
was natürlich beträchtliches Aufsehen erregte. Erst nachdem sie doit eine Weile
mit ihrem Mann gesprochen hatte (wobei sie ihm möglicherweise etwas zustecken
konnte), ließ sie sich beruhigen und begab sich ins Laboratory zurück -
und verlangte nun plötzlich von sich aus die Röntgenaufnahme, obwohl Price
darauf verzichtet hatte. Dagegen weigerte sich ihi Mann, sich auch durchsuchen
zu lassen (dagegen verlangte er es beim nächsten Mal). Die Röntgenaufnahme
ergab nichts Besonderes. Mrs. Duncan ist ungewöhnlich beleibt, sie wiegt fast
190 Pfund, so daß irgendwelche Abnormitäten ihres Magens oder ihrer Speiseröhre
auf einer Röntgenaufnahme nicht erkennbar sein würden, ebenso wurde
verschluckter Mull usw. darauf nicht sichtbar sein, da es sich um Stoffe handelt,
die für Röntgenstrahlen durchlässig sind. Die Hoffnung, daß vielleicht verschluckte
Sicherheitsnadeln auf der Photographie sichtbar werden wurden, war trügerisch.
Mrs. Duncan glaubte aber offenbar, daß eine Röntgenaufnahme alles enthüllen
würde. — Trotz der Entlarvung glaubt ein großer Teil dei englischen und schottischen
Spiritisten nach wie vor an die Echtheit ihrer Phänomene. Es ist schade,
daß sich Mrs. Duncan nicht der medizinischen Wissenschaft zu Versuchen
zur Verfügung stellt, da eine derartige Fähigkeit der Rmninatiou odei Regurgitation
immerhin recht selten ist. Dr. Gerda W a 11 h e r.
Der Giftmordprozeß Riedel-Guala ein Justizirrtum? Von Fritz Roth. Zürich -
Leipzig 1929; Verlag Orell-Füßli. (228 Seiten.)
Auf Grund eines Indizienbeweises wurden im Jahre 1920 im Kanton Bern
der Arzt Dr. Riedel und seine frühere Vei lobte Guala wegen gemeinschaftlichen
Giftmordes, begangen an der Frau Dr. Riedel, zu je 20 Jahren Zuchthaus verurteilt
; beide beteuerten vorher und nachher fortgesetzt ihre Unschuld. Obige
Schrift des Verteidigers Roth, der die Wiederaufnahme betrieben hat, bringt
außer der kritischen Betrachtung der Voruntersuchung und des früheren Hauptverfahrens
eine Zusammenstellung der neuen Tatsachen und Beweismittel, damit
sich nicht nur Fachleute, Mediziner, Juristen usw., sondern auch die größere
Oeffentlichkeit ein gewisses Urteil bilden können. Eine kurze Besprechung dieses
Buches im Rahmen dieser Zeitschrift erscheint deshalb angebracht, weil beiläufig
im September 1928 ein parap^ychologischer (kriminaltelepathischer) Aufklärungsversuch
mit Hilfe von Frau Günther-Geffers unternommen wurde (Seite
147—153) unter Leitung von Dr. Krön er, der vermutlich hierüber besonders
berichten wird. Uebrigens hat Dr. Kröner hiervon unabhängig ein ganz ausgezeichnetes
psychologisches Charaktergutachten über die drei Hauptpersonen
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