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Sünner: Ergänzende Mitteilungen zu dem Spukfall in Charlottenburg. 207
Meist stehen diese Mädchen in den Jahren vor der Pubertät oder in der
Zeit der Reife, in einigen wenigen Fällen auch in den kurz darauf folgernden
Jahren. Wir wissen, aus Sehrenck-Notzings und anderen Untersuchungen, daß
diese Jahre für die mediale Entwicklung von besonderer Bedeutung sind, ebenso
wie das Aufhören der Begabung oft mit anderweitiger, normalphysiologischer
Funktion zusammenhängt, während andererseits in den Jahren sexualphysiologischen
Abstiegs hochbedeutende Medien in Erscheinung treten. Wir wissen,
daß Willy Schneiders ehemalig große mediale Veranlagung sistiert hat, während
Frau Silbert, Frau Vollhart, Frau Günlher-Geffers, um nur einige wenige zu
nennen, in vorgerückteren Jahren sich so glänzend entwickelten. Ich habe auf
die hier zugrunde liegenden Fragen bereits in meiner Abhandlung über Frau
Lotte Plaat hingewiesen, da deren große psychometrische Fähigkeiten, ebenso
wie bei Frau Maria Reyes de Z., nach schweren Erkrankungen, Operationen und
Organveränderungen erst in die Erscheinung traten. Auf die hier heranzuziehenden
Forschungen über die Verwandlungen des Sexualtriebes in andere psycho-
physische Aeußerungsformen (Konversion, Verdrängung) ist schon in verschiedenen
Aufsätzen unserer Zeitschrift, zuletzt von mir selbst im Juni 1981,
hingewiesen worden (Beitrag zur Frage des Zusammenhanges zwischen Hysterie
und Mediumismus).
Ohne Zweifel .«ind diese vergleichenden Erwägungen für die Klärung der
auffallenden Phänomene äußerst wichtig, und dahingehende Untersuchungen
besonders dankenswert. Immer aber muß ich auch hier wieder betonen, daß
all das Gesagte erst dann einen Sinn erhält, wenn man es bei den Spukerscheinungen
zu gleicher Zeit auch mit einem — irgendwie beteiligten — Medium
zu tun hat, was aber, wie wir sahen und auch aus anderen Fällen /wissen»
keineswegs immer und überall der Fall ist. Darum ist es wohl berechtigt, zu
sagen, daß gerade beim Spuk, mehr noch wie bei den anderen Vorgängen auf
parapsychischem Gebiet, der berühmte Rest zu klären übrigbleibt, bei dem
man mit den herkömmlichen Methoden nicht auskommt, wohl aber besonders
stark den Hauch des Geheimnisses verspürt.
Professor A. Ludwig erklärt in dem von ihm mitgeteilten „Spukfall
in Oesterreich 1900—01", bei welchem er die junge 20 jährige Lehrersfrau als
die unbewußte Ursache des Spuks erblicken möchte, daß die endliche Befreiung
vom Spuk erfolgte, als die Frau im Wochenbett lag und das Kind 3 Tage alt
war. Ich sehe hier eine Parallele zu einem Spukfall oder, wenn man so will,
zu der physikalischen Auswirkung eines Mediumismus bei einer jungen Frau,
bei der ebenfalls nach der Entbindung die in ihrer Wohnung beobachteten
Phänomene sistierten. Diesen Fall, der im südlichen ungarländischen Teile der
Tschechoslowakei spielte, teilte ich, wie unsere Leser sich erinnern, in dem
eben schon zitierten Aufsatz vom Juni vorigen Jahres ausführlich mit, wobei
ich u. a. auch eine für die Beurteilung wichtige seelische Analyse der jungen
Frau, namentlich hinsichtlich des Sexuallebens, gab.
Bei der Erklärung des Spuks handelt es sich bekanntlich entweder um die
Geister Abgeschiedener, die also nach spiritistischer Theorie entweder direkt
ohne Vermittlung eines Mediums oder indirekt durch ein
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