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Driessen: Parapsychisches und Paraphysisches im Leben G. Cardanos. 225
liehe Objektivität entgegenbrachte; er rühmte James religiöse Erfahrung und
erklärte, indem deren Zusammenhang mit Übersinnlichem erörtert wurde:
,,In England und Amerika (reformierte Well) ist religiöser Fonds der Professoren
möglich und vorhanden; in Deutschland nicht.*' Dazu äußerte er
scharfe Mißbilligung des in Ritsehl verkörperten Rationalismus und nannte
zugleich seinen Freund, den Grafen Yorck von Wartenburg. Es ist fesselnd
und lehrreich in dem Briefwechsel dieser Männer zu lesen, was 1892 Dilthey
über Gestalten des Christentums und die jetzige religiöse Denkart der Menschen
schrieb. Darin sagt er über die altchrislliehen Dogmen und die Neuerer:
.,es ist eine unsinnige Anmaßung der Ritschlianer, sie durch andere neue Dogmen
— gemacht nicht von Missionaren, Aposteln und Märtyrern, sondern von
angenehm situierten Professoren — ersetzen zu wollen." Auf Seite i56 hieß
es: .,Fragt man nach dem letzten Grunde der jetzigen Lage, so liegt er darin,
daß nun erst die Naturwissenschaften aus der Position des 17. Jahrhunderts
die letzten Konsequenzen gezogen haben. Die auf das Gesetz der Erhaltung
der Kraft gegründete Lehre von den psychischen Begleiterscheinungen, diesen
Irrlichtern auf dem Sumpf der geistlosen Materialität, ist in der ganzen Literatur
der Gegenwart das einflußreichste Agens." — Außer dem Buche von
James empfahl Dilthey in jenen Gesprächen eine Schrift über Sekten (Weingarten
), und in seinem Buche ,,Das Erlebnis und die Dichtung" sagt er
('Seite i52): „Gegenüber der Knechtschaft unter dem Buchslaben ist die alte
Sektenlehre vom inneren Licht durch Lessing und sein Zeitalter in die Wissenschaft
eingeführt worden."
Ueber Okkultes im engeren Sinne haben wir damals nicht gesprochen, und
auch in dem Briefwechsel mit Yorck von Wartenburg ist davon nicht die Rede.
Erwägt man aber, daß der Zusammenhang von religiösen Vorstellungen
und Erlebnissen mit allerlei Okkultem enger sein dürfte, als man trotz James,
Sulzer, Hoff mann bisher gelten läßt, so ist klar, daß Dilthey begriffen hat,
daß die jetzt parapsychisch und paraphysisch genannten Dinge, obgleich sie
gegenüber rein geistiger Religiosität sekundär sind, ihren bedeutungsvollen
Wert haben. So gewinnt sein ruhiges und warmes Urteil über Cardano Bedeutung
. Bei diesem aber werden wir ein ähnliches Verhältnis bemerken und
wenden uns jetzt seinem Zeugnisse zu.
Ich befasse mich hier nur mit der erwähnten Selbstbiographie, und zwar
in der von Herman Hefele bei Diederichs in Jena gelieferten Ueberselzung.
Das Originalwerk (nebst einigen anderen) ist auch die Quelle, welche Kiesewetter
in seiner Geschichte des neueren Okkultismus (Seile 122 ff.) bei Würdigung
des Cardano zugrunde gelegt hat. Dabei sind aber besonders bemerkenswert
die vorhergehenden Nachrichten über dessen Vater, Faeius Cardano. Von
dessen durch den Sohn wahrgenommenen Erlebnissen mit Klopf geistern, einer
materialisierten eiskalt wirkenden Hand, angeblich leibhaft erschienenen Luftgeistern
und einem ihn durch 35 Jahre begleitenden Spiritus familiaris sagt
Kiesewetter Seite nfl: „Die Erlebnisse des Facius zeigen in zahlreichen kleinen
Zügen ihre völlige Identität mit dem modernen Mediumisinus — woraus sich
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