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Tischtier: Bemerkungen zum Frea Marion-Prozeß 321
liegen. Um das Sehen nach unten zu verhindern, wurden ihm von mir zwei
Augenklappen, unter denen sich ein Wattepolster befand, umgebunden, die am
untern Umkreis mittels Leukoplast an den Wangen sorgfältig angeklebt wurden,
so daß also unter den üblichen Bedingungen des Versuchs es Kraus unmöglich
war, etwas zu sehen.
Nach Anlegung des Verbandes tastete Fred Marion in auffallender Weise
den Verband ab und beugte sich während der beiden Versuche mit dem Kopf
stark nach vorn. Es blieb für diese auffällige Bewegung keine andere Deutung
übrig, als daß er versuchen wollte, etwaige Lücken am oberen Umkreis der
Augenklappen zum Durchblicken zu verwenden. Ich erhob keinen Einspruch
gegen das Abtasten und dadurch etwa verursachtes Verschieben des Verbandes
und auch nichts gegen das Vorbeugen, da ich dem Phänomen seinen freien
Lauf lassen wollte, und Fred Marion gewiß intelligent genug ist, um zu wissen,
worauf es bei der Untersuchung ankam. Man kann also sein Benehmen in
diesem Falle als Selbstentlarvung bezeichnen.
Die ganzen Versuche hatten etwa 1V2 Stunde in Anspruch genommen; der
einzelne Versuch wurde immer erst abgebrochen, wenn ihn Fred Marion für
beendigt erklärte.
Im Oktober ig3i fand dann der Prozeß statt, gerichtliche Sachverständige
waren Professor Driesch und ich. Auf Veranlassung des Gerichtes wurden
drei Versuche gemacht, zwei unwissentliche mit von mir mitgebrachten in Brief-
Umschläge eingeschlossenen Postkartenbildern, und ein psjrchoskopischer Ver-
such mit einem von Professor Driesch ihm offen überreichten Gegenstand. Alle
drei Versuche waren völlig negativ.
Da sowohl der Staatsanwalt als auch der Angeklagte Berufung eingelegt
hatten, kam es am 6—7. April xgS2 zu einer neuen Verhandlung, über die von
Dr. Aigner ja schon in Nr. 5 d. J. berichtet worden ist.
Ergänzend möchte ich dazu noch bemerken, daß die im Jahre 1915 von
Herrn Professor Molitoris angestellten Versuche sämtlich Bewegungsaufträge
waren, und daß gemäß der Verordnung in keinen, FalleTe Möglich-
keit unwillkürlicher Zeichengebung mit Sicherheit ausgeschlossen war. Das
gleiche gilt natürlich auch £ die drei vor Gericht angestellten Versuche der
„telepathischen Post", infolgedessen spricht das Gelingen von zwei der Versuche
keineswegs für irgendwelche übernormalen Fähigkeiten des Angeklagten.
Wenn ich zum Schluß auf die Gesamtheit meiner Versuche mit Kraus
zurückblicke, so waten es über dreißig bei fünf verschiedenen Gelegenheiten,
die meist unter Umständen angestellt wurden, die man als für den Angeklagten
günstig bezeichnen darf. Kraus war an den Tagen in guter Stimmung und es
wurde alle mögliche Rücksicht auf ihn genommen. Wenn er bei derartigen
Versuchen versagt, so ist gewiß der Schluß berechtigt, daß er auch anderwärts
versagen und nicht im Konzertsaal bei einem hohen Hundertsatz echt übernormale
Erscheinungen vorführen wird. Eine Anzahl der Versuche waren unter
wenig strengen Versuchsbedingungen angestellt, andere waren als Bewegungsaufträge
überhaupt ungeeignet, um übernormale Fähigkeiten zu erweisen. Es
bleiben dann so wenig richtige Angaben übrig, die man deshalb ungezwungen als
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