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Kleine Mitteilungen. 323

ihm von Kaiser Trajen das Konsulat verliehen. Er starb wahrscheinlich im J. 114
nach Christi. Sünner.
Wir lassen jetzt seinen Brief folgen:

C. Plinius an Suria.

Die Muße gibt uns Gelegenheit, mir, von dir zu lernen, und dir, mein Lehrer
zu sein. Ich wünschte nämlich gar sehr zu wissen, ob du überhaupt an Gespenster,
an eine eigentümliche Gestalt und einen höheren Einfluß derselben glaubst oder
ob du sie für leere und wesenlose Gebilde, Ausgeburten unserer Furcht hältst?
Was mich veranlaßt, daran zu glauben, ist namentlich der Fall, welcher dem
Curtius Rufus begegnet sein soll. Als er noch in höchst bescheidenen Verhältnissen
und gar nicht bekannt war, befand er sich in dem Gefolge des Statthalters
von Afrikax). Einst ging er, als der Tag sich neigte, in einer Säulenhalle
spazieren; da trat ihm eine weibliche Gestalt von übermenschlicher Größe und
Schönheit entgegen und redete den hierüber Erschreckten also an: „Ich bin Afrika
und weissage dir dein künftiges Schicksal. Du wirst nach Rom gehen, Ehrenämter
bekleiden, sodann als oberster Befehlshaber in diese Provinz zurückkehren und
hier sterben." Alles traf ein. Ueberdies soll ihm, als er in Karthago landete,
beim Aussteigen aus dem Schiffe dieselbe Figur am Ufer wiedererschienen sein.
Soviel ist gewiß, daß er in eine Krankheit verfiel, und da er aus der Vergangenheit
auf die Zukunft, aus dem Glück auf das Unglück schloß, gab er alle Hoffnung
zur Wiedergenesung auf, während keines der Seinigen hoffnungslos war.
Und folgendes Begebnis: Ist es nicht noch schauderhafter und ebenso wunderbar?
Ich will es erzählen, wie ich es gehört habe. In Athen war ein großes und
geräumiges, aber verrufenes, Unheil bringendes Haus. In der Stille der Nacht
hörte man Eisenklirren und, wenn man genauer aufhorchte, Kettengerasse!,
anfangs in der Ferne, dann aber ganz nahe; bald danauf erschien das Gespenst,
ein abgemagerter, abgehärmter Greis mit langem Barte, struppigen Haaren, der
Fesseln an den Fußen, Ketten an den Händen trug und sie schüttelte. Die Hausbewohner
durchwachten daher aus Furcht traurige und schreckliche Nächte; das
Wachen führte Krankheit und di^ stets wachsende Furcht den Tod herbei. Denn
auch bei Tage, obgleich das Gespenst da nicht sichtbar war, schwebte ihnen die
Erscheinung in der Einbildung vor Augen, und die Furcht währte länger, als
deren Ursache. Nunmehr wurde das Haus verlassen und zur Einöde verdammt
und ganz jenem Ungetüm preisgegeben; dennoch wurde es öffentlich ausgeboten,
ob es nicht doch vielleicht jemand, dem dieser große Uebelstand unbekannt wäre,
kaufen oder mieten wollte. Der Philosoph Athenodorus kam nach Athen, las
den Anschlag und vernahm den Preis. Die Wohlfeilheit war ihm verdächtig; er
forschte nach allem, ließ sich über alles Auskunft geben; und dennoch, oder vielmehr
nur um so eher, nahm er es in die Miete. Als es Abend zu werden begann
, ließ er sich sein Lager im vordersten Zimmer des Hauses herrichten, fordert
Schreibtafel, Griffel, Licht, entläßt alle seine Leute ins Innere; er selbst richtet
Geist. Augen, Hand auf das Schreiben, damit nicht der unbeschäftigte Geist sich
Erscheinungen, von denen er (bloß) gehört, und leere Schrecknisse schaffen
möchte. Im Anfang herrschte, wie überall, Stille der Nacht, bald aber klirrte Eisen,
rasselten Ketten. Er verwendet kein Auge, legt den Griffel nicht nieder, zeigt
aber einen starken Geist und verwahrt sich gegen das, was er gehört. Jetzt
nimmt das Getöse zu und kommt immer näher; bald ist es, als höre man es auf
der Schwelle, bald im Innern des Zimmers; er blickt auf, sieht und erkennt die
ihm beschriebene Gestalt Sie blieb stehen und winkte mit dem Finger, als ob
sie ihm lufen wollte; auch er seinerseits gibt ein Zeichen mit der Hand, ein
wenig zu warten, und fährt wieder fort, zu schreiben. Da rasselt die Gestalt mit
den Ketten über dem Haupte des Schreibenden; er schaut wieder zurück und
winkt wie zuvor. Da zögert er nicht länger, nimmt das Licht und folgt ihr.
Langsam geht jene voran, als fühlte sie die Last ihrer Fesseln; wie sie aber in
den Vorhof des Hauses hinabkam, verschwand sie plötzlich und ließ ihren Begleiter
zurück. Der Alleingelassene raffte Gras und Blätter zusammen und legte
sie als Zeichen an die Stelle. Tags darauf begibt er sich zu der Obrigkeit und
trägt darauf an, den Ort aufgraben zu lassen. Da fand man nun in Ketten

*) Nämlich Afrika, soweit es im Besitze der Römer war, das vormalige Gebiet
von Karthago. Ueber Curtius Rufus vgl. Tacitus, Annalen 11, 21.

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