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324_Zeitschrift für Parapsychoiogie. 7. Heft. (Juli 1932.)
geschlagene und damit umwundene Gebeine, welche der durch die Länge der
Zeit in der Erde verweste Körper nackt und kahl zurückgelassen hatte; diese
wurden auf Veranstalten der Behörden gesammelt und begraben, und nachdem
diese Ueberreste gehörig bestattet waren, blieb das Haus von nun an rein. Dies
ist es, was ich auf den Bericht anderer hin glaube. Nachstehendes kann ich selbst
anderen verbürgen. Ich habe einen Freigelassenen namens Marcus, der nicht
ohne wissenschaftliche Kenntnisse ist. Bei diesem schlief sein jüngerer Bruder in
dem gleichen Bette. Diesem kam es vor, als sehe er jemand sich auf sein Bett
setzen, sich mit einer Schere seinem Kopf nähern und ohne weiteres die Haare
vom Scheitel schneiden. Bei Tagesanbruch fand man ihn wirklich am Scheitel
geschoren und die Haare herumliegen. Kurze Zeit darauf bestätigte ein ähnlicher
Vorfall den früheren. Einer'meiner jungen Sklaven schlief mit mehreren andeien
in dem Pädagogium 1); da kamen zu den Fenstern herein — so erzählt er — zwei
in weißen Gewändern, Schoren ihn, während er (schlafend) dalag, und gingen
auf demselben Wege, wie sie gekommen waren, wieder zurück. Auch diesen
fand man bei Tagesanbruch geschoren und die Haare zerstreut herumliegen. Es
folgte nichts Bemerkenswertes, außer etwa, daß ich nicht angeklagt wurde, was
(sicher) geschehen wäre, wenn Domitian, unter dem sich dieses zutrug, länger
gelebt hätte. Denn in seinem Schreibtische fand sich eine wider mich eingereichte
Klageschrift. Weil nun die Angeklagten ihre Haare wachsen zu lassen pflegen,
so läßt sich daraus schließen, daß die abgeschnittenen Haare meiner Leute ein
Zeichen waren, daß die mir drohende Gefahr abgewendet sei. Demnach bitte
ich dich, deine (ganze) Gelehrsamkeit aufzubieten. Die Sache ist einer langen und
reiflichen Ueberlegung wert, und auch ich verdiene wohl, daß du mir deine Einsichten
hierüber zukommen lässest. Magst du auch, deiner Gewohnheit nach,
für und wider die Sache streiten, so neige dich doch mit mehr Entschiedenheit der
einen Seite zu, um mich nicht in Unruhe und Ungewißheit zu lassen, da ich mir
dein Gutachten eben deshalb erbeten habe, um endlich einmal meines Zweifels
los zu werden. Lebe wohl!
Zwei Wahrträume.
Der erste kann nur aus seinen Wirkungen inhaltlich erschlossen werden.
Als mein Großvater, Carl Bergthaller, jung verheiratet und Vater eines
etliche Monate alten Söhnchens war, wurde er eines Nachts durch ein ebenso
^heftiges, wie unerklärliches Angstgefühl aus dem Schlafe geweckt. Dies Gefühl
war von triebhafter Gewalt, so daß er — ohne zu überlegen — aus dem Bett
sprang, aus dem in der gegenüberliegenden Ecke stehenden Gitterbettchen den
kleinen Sohn herausriß und mit demselben wieder ins Bett zurückkehrte. Das
aus dem Schlafe gestörte Kind schrie natürlich laut und weinte. Aber ehe dief
Mutter noch mit der Frage, ob denn der Mann gerade verrückt werde, weil er
dem Kinde keine Ruhe lasse, recht zu Ende gekommen war, ging mit krachendem
Getöse der alte Stuckplafond, mit dem das Zimmer versehen war, nieder - genau
über dem Bettchen aes Knaben, der unfehlbar erschlagen worden wäre, hätte
ihn der Vater nicht herausgeholt.
Der zweite Wahrtraum dagegen war von höchster Deutlichkeit.
In* Oktober 1852 träumte dem Großvater, er gehe hinter dem Sarge seines
jüngsten Töchterchens Lisi; er sah alle Umstände des Leichenbegängnisses, sich
selber im Zylinder, aber das Gesicht mit einem schwarzen Seidentuch verbunden.
Außerdem lag Schnee auf der Straße.
Der Großvater erzählte diesen Traum sofort am Morgen seiner Frau; diese
ließ nichts gelten, und sagte, das Kind sei ganz gesund und frisch, und außerdem
sei schöner warmer Herbst — und von Schnee keine Spur weit und breit. Man
beruhigte sich bei dieser Anschauung.
Ungefähr eine Woche später erkrankte die kleine Lisi plötzlich an einer
akut verlaufenden Gehirnentzündung, der sie binnen zwei Tagen erlag. Sie war
das Lieblingskind Großvaters gewesen - und er weinte in seinem Schmerz so
heftig, daß er sich den Unterkiefer ausrenkte. Der Arzt mußte ihm einen Verband
anlegen — ein schwarzes Seidentuch darüber: und so ging er hinter dem
*) Das Gemach, welches den Knaben zum Aufenthalte diente. Vgl. Böttiger,
Sabina II, S. 27.
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