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Zeitschrift für Parapsychologie. 7. Heft. (Juli 1932.)

Der materiell in glücklicher Lage befindliche Forscher bereist seit einer Reihe
von Jahren mit offenen Augen die Welt, und hielt sich 1927 einige Zeit in
Konstantinopel auf. Hier trieb es ihn bei seinen vergleichenden Studien zwischen
östlicher und westlicher Mystik, und bei seinem Streben, die esoterische Richtung
des Islam verstehen zu lernen, nach anfänglichen nicht sehr überzeugenden okkul-
ten Erlebnissen einen eigenartigen Weg einzuschlagen, von dem er sich Erfolg
versprach. Er wollte das Derwisch-Wesen gründlich und am richtigen Ort kennenlernen
, weshalb er, gestützt auf persönliche Beziehungen zu vornehmen Türken
, für einige Wochen in einen Derwischorden oder Derwischkloster, ein sogenanntes
Tekke, eintrat. Wir hören die Aufnahmebedingungen, Fasten, Schweigegebot
, nur drei Stunden Schlaf des Nachts, Verbot von Lesen und Schreiben.
Sogar körperliche Bewegung wird ausgeschaltet, und alle Kraft und alle Zeit
gilt dem Beten und Meditieren.

Der Scheich dieses Klosters ist der alte, würdige Essad Effendi, bei ihm
beginnt nun Vett seinen Weg der Einweihung, sein Tarikaat.

Hier wird er brüderlich aufgenommen, und nun beginnen die anstrengenden
religiösen Uebungen. Der Inhalt des Buches gibt in Tagebuchform seine Erlebnisse
wieder, der Verfasser sagt selbst, daß er ein großes Opfer bringe durch
sein Eremitenieben in primitiver Klosterzelle. Vett wird durch seinen Idealismus
zu der Hoffnung getrieben, durch sein Beispiel dazu beitragen zu können, daß
ein freundschaftliches, vielleicht sogar brüderliches Verhältnis in der Zukunft
erstehen könne zwischen den Menschen der verschiedenen großen Religionein,
die den „schmalen Weg" gehen. Er meint damit diejenigen, welche wissen, daß
der Kern in jeder Religion derselbe ist, sei es nun die Lehre Christi, sei es in
diesem speziellen Falle Mohammeds. Die geistreichen Unterhaltungen zwischen
Vett und den übrigen Tekke-Insassen, vor allem dem alten Scheich und seinem
gebildeten Sohn Aly bilden nun den näheren Inhalt der Berichte, wobei noch ein
mit angeblich übersinnlichen Kräften versehener Hodja und ein Dolmetscher zu
Vetts näheren Freunden zählen. Über allen liegt eine tiefe menschliche Herzensverbundenheit
, Träume werden gedeutet, wunderbare Erlebnisse erzählt, über
Reinkarnation debattiert, wobei sich Vett als ein überzeugter Anhänger dieser
Lehre erklärt. Er stößt hierbei auf den Protest der islamitischen Gelehrten, denn
es sei im Koran nichts von Reinkarnation erwähnt, was zwar eine von den
Indern übermittelte, aber doch überwundene Lehre sei!

Ausgehend von seinen reichen okkultistischen Erlebnissen im Abendlande ist
Vett bestrebt, Brücken zu schlagen zwischen unserer Gedankenwelt und der geistigen
Betrachtungsweise des Orients. Hier sucht er an Ort und Stelle seine
eigenen latenten seelischen Kräfte zu entwickein, damit er an sich erfahren könne,
daß das Leben hier nur ein Ausschnitt des kontinuierlichen kosmischen Lebens
ist, zu welchem wir mit allen den höheren, einstweilen okkulten oder verborgenen
Fähigkeiten unseres Wesens gehören. „Die Derwische in den islamitischen Tari-
kaaten erreichen wie die Fakire und Yogis in Indien auf Wegen, die für die
Völker des Ostens passen, den Kontakt mit dem Übersinnlichen, den man bis
jetzt im Westen fast nur durch Medien erstrebt."

Vett kommt sich vor wie ein Europäer, der durch den gottlosen Sumpf
materialistischer Wissenschaft gewatet ist, und trotz mancherlei karter Entbehrungen
, während er durch dünne Bretterwände heiligen Gesang seiner Nachbarn
vernimmt oder das Psalmodieren des Korans, empfindet er doch seinen Aufenthalt
wie eine Wiedergeburt, und ist glücklich, sich von dieser unmittelbaren primitiven
Religiosität umgeben zu fühlen.

Vett hat hohe Pläne: er will der Menschheitsentwicklung weiter helfen und
arabische Gelehrte, die europäische Sprachen beherrschen, zur Zusammenarbeit
mit europäischen Fachmännern einladen, die ihrerseits arabisch und persisch verstehen
. Gemeinsam soll dann der Koran, das okkulte Wissen im Tarikaat des
Ostens, die parapsychischen Phänomene und das esoterische Christentum studiert
werden, und er ist voller Dankbarkeit für den Reichtum an Erfahrung und Einsicht,
die ihm durch seinen mehrwöchigen Aufenthalt geschenkt wurden.

Er ist glücklich, daß er bei seinen Bestrebungen soviel ehrliches Verständnis
bei seinen Freunden im Kelami-Kloster gefunden hat.

Mit einem Empfehlungsbrief des Scheichs des Nachs-Bendi- und Kadri-Ordens
versehen verläßt er diese Stätte, um von einem sprachkundigen Freunde begleitet
, in Skutari und Kleinasien hohe Würdenträger und Paschas zu besuchen»


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