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BernouIIi: Die Oeheimlehre der Kabbala im Sohar.
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sind — theoretisch gesprochen — so wenig seltsam, daß vielmehr grade in
ihnen das Psychische zu sich selbst zurückkehrt und in sich selbst bleibt und
sich zeigt, wie es ist ohne sinnlich-anschauliche Bindung." Allerdings hält
Haas den Beweis für das zeitliche Hellsehen nicht als erbracht, räumt aber
demselben im Falle seiner Existenz eine revolutionäre Bedeutung ein.
(Fortsetzung folgt.)
Die Geheimlehre der Kabbala im Sohar,
dem „Buch des Glanzes".
Von Dr. Rudolf BernouIIi.
Immer wieder taucht aus innerstem unstillbarem Bedürfnis herauf der
Wille: nicht nur zu glauben, sondern zu wissen. Die Frage, ob das Wissen um
die letzten Dinge überhaupt möglich ist, wird immer wieder bejaht. Immer
wieder taucht neben den offiziellen, heiligen Schriften der Völker, eine geheimnisvolle
mündliche Tradition auf, die versucht, das Unsagbare auszusprechen
, für die Wenigen, die es erfassen können, den letzten Schleier zu lüften.
Unter dem persönlichen Einfluß eines Lehrers mag wohl blitzartig in dem
einen oder andern innerste Gewißheit, Wissen statt Glauben aufgeglüht sein.
Es ist darum verständlich, daß versucht worden ist, die^e mündliche Tradition,
die Lehre von Mund zu Ohr, der man Tiefstes verdankte, niederzuschreiben.
Aber in dem Augenblick, wo das klingende Wort zum Schriftbilde wird, wo
die persönliche Unterweisung unter vier Augen zum Buche wird, das jeder in
die Hand nehmen mag, verdunkelt sich das Licht, das über die letzten Geheimnisse
zu leuchten schien.
Mit welcher Betonung und mh welcher Behutsamkeit werden in den Upani-
schaden die letzten Geheimnisse der innersten Tiefe des Menschen, das große
Mysterium des „Selbst" umschrieben. Deutlich spricht zu uns das Gefühl; der
einst diese Worte sprach, wußte um dieses Geheimnis. \ber wird es uns dadurch
klar? Ist nicht trotz aller scheinbaren Offenbarung, das Letzte so verhüllt
und geheimnisvoll wie zuvor?
Dasselbe erleben wir, wenn wir uns bemühen, die ßrueh«4üc!ve der Gnobis
oder der griechischen Mysterien in ihrem Sinn zu ergründen, oder wenn wir
uns den Unterweisungen der Rabbala zuwenden, jener Lehre, welche den jüdischen
Glauben zum Wissen um die letzten Dinge zu vertiefen suchte.
Der Sohar, das Buch des Glanzes, das heilige Buch der Kabbala, wie es genannt
wird, lag bisher nur in der lateinischen Ausgabe Knorrs von llosenroth
(168/1) vor.
Nun erscheint im Verlag Dr. H. Glanz in Wien eine Auswahl in deutscher
Uebersetzung von dem Bibliothekar Ernst Müller.
Es sei versucht, die wesentlichen Gesichtspunkte dieses schwierigen Buches,
das nun aber literarischen Ansprüchen so weit entgegen kommt, als dies überhaupt
möglich ist, wenigstens in der Grundidee wiedergegeben. Im Mittelpunkt
des Ganzen steht die Tbora: Die Lehre, die Weisheit aller Weisheiten,
der Inbegriff des Wesens von Chochmah, der göttlichen Weisheit schlechthin.
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