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um so heftiger rumpelte und tobte dann der Tisch mit allen vier Beinen auf der
Diele hin und her. Jetzt mischte ich mich ein, denn in zuvor ungekanntem Maße
war ein positives Interesse an der Sache in mir wach geworden.

„Kann ich Fragen an Ihren Schutzgeist stellen?" frug ich C.

„Gewiß — ich weiß aber nicht, ob er Ihnen antworten wird. Rego, hörst du?
Sei mal artig, und gib dem Herrn ordentlich Antwort!" Und wieder zu mir gewandt
erklärte sie, was ich freilich schon wußte: „Einmal Klopfen haben wir als
Ja ausgemacht, und wenn der Tisch sich überhaupt nicht rührt, heißt das Nein;
außerdem klopft es alphabetisch für A einmal, für B zweimal, usw."

Ich nickte, und begann zu fragen: „Sag' mal, Rego, bist du ein guter Geist?"
Der Tisch rührte sich nicht. „Also ein böser?" Sofort schnellte der Tisch auf
C.s Seite unter ihren Händen in die Höhe, wie wenn er mir nochmals hätte zeigen
wollen, daß sie die Bewegungen nicht selbst hervorrufe, und stieß dann einmal
mit beiden Vorderbeinen auf. „Bist du ein männlicher Geist?" „Ja!" bestätigte
der Tisch äußerst energisch. „Du denkst wohl, daß ich dir all das glaube? Ich
weiß schon, was ich von euch ,Geistern* zu halten habe! Und ich sage dir ganz
einfach, daß du lügst!" Auf diese Beleidigung geriet der Tisch in ein so rasendes
Hin- und Herstoßen, daß ich wieder abrücken mußte, um keinen blauen Fleck
davonzutragen. Nun aber, urplötzlich, schien eine zweite Kraft im Tische dem
Zorn Regos entgegenzuwirken, mit überlegener Macht seine Stöße brechend
und hemmend, bis sie schwächer und schwächer werden, und der Tisch endlich
zur vollen Ruhe gelangte. Dann hob er sich sanft und mit feierlicher Langsamkeit
auf meiner Seite empor und senkte sich wieder im ernsten Gruß ebenso
langsam und sanft wieder zur Diele hinab.

„Haben Sie gesehen?" flüsterte C. in sichtlich ehrlicher Ueberzeugung und
Erregung mir zu. „Das muß ein anderer Geist sein, ein stärkerer, der den Rego
verdrängt hat! Fragen Sie doch gleich, wie er heißt — ich kenne ihn sicher
noch nicht!"

Die Beobachtung des stummen Kampfes, der sich im Tische vor mir abspielte
und noch mehr die charakteristische, seltsam-praktische Art des geheimnisvollen
Siegers, der sich persönlichst an mich wenden zu wollen schien, hatten mich in
eine Gemütsstimmung versetzt, wie ich sie von dem ganzen antispiritistisch geplanten
Unternehmen durchaus nicht erwartet hatte. Mit einer inneren Anteilnahme
, die Meister du Prel gewiß schon als „glaubensspiritistisch" verurteilt
hätte, frug ich: „Bist du, de»* den Tisch jetzt eben hob, ein anderer Geist als
Rego?"

Wieder hob und senkte sich der Tisch auf meiner Seite in derselben eigenartigen
Weise wie vorher. „Wie heißt du denn? Buchstabiere deinen Namen!"
Der Tisch klopfte mit den beiden, mir zugewandten Beinen ebenso langsam und
sanft wie zuvor, das Wort „Geben". Ich schüttelte verwundert den Kopf. „Geben?
Ist das dein Geistername?" Der Tisch bejahte. „In welcher Beziehung stehst du /u
uns?" Der Tisch buchstabierte das Wort „Genius". „Du behauptest also, der
sogenannte Schutzgeist eines von uns beiden zu sein?" Der Tisch bejahte. „Aber
Rego will doch der Schutzgeist von Fräulein C. sein! Ist das richtig?" Daß ein
manierliches Mädchen solch einen höllischen Rüpel zum Schutzgeist haben sollte,
schien mir recht fragwürdig. Allein der Tisch bejahte noch etwas rascher als
sonst, wie ungeduldig. „Also bist du mein Schutzgeist, Geben?" Der Tisch
bejahte mit einer großen, ganz besonders feierlichen Bewegung. „Bist du, wie
Rego, ein männlicher Geist?" Der Tisch verneinte durch Rcglosigkeil. „Also
ein weiblicher Geist?" Der Tisch bejahte in der früheren sanften Art. „Wie
hast du bisher auf mich eingewirkt?" Der Tisch buchstabierte das Wort „Bestimmung
". „So behauptest du, mein bisheriges Leben bestimmt zu haben?"
Der Tisch bejahte. Der Gedanke gab mir eine so verwirrende Flut von Vorstellungen
, daß ich zerstreut und halb mechanisch weiter frug: „Wie alt bist du?"
Der Tisch hob und senkte sich fünfmal. „Fünf? Soll das Jahre bedeuten? Jahrzehnte
? Jahrhunderte?" Der Tisch blieb jedesmal in verneinender Ruhe. „Willst
du mit fünf Schlägen überhaupt eine Zahl ausdrücken?" Der Tisch blieb regungslos
. „Ach so! Du wolltest buchstabieren?" Der Tisch bejahte. „Dann handelt
es sich also um den Anfangsbuchstaben E?" Der Tisch bejahte. „So buchstabiere
, bitte, weiter!" Der Tisch buchstabierte das Wort „ewig" und da ich
ja selbst in der bisherigen Unterhaltung „Geben" als „Geist" hatte gelten lassen,


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