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Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1932.)
Lager und blies das Kerzenlicht aus. Die Erregung wegen der Unterkunftsschwierigkeiten
wirkte indessen noch nach, so daß sie nicht einschlafen konnte
und eine Weile wach im Dunkeln lag. Da hörte sie mit einem Male die Türe •
gehen, die sie doch eben noch sorgfältig verriegelt und versperrt hatte, und sah
in demselben Augenblick das Zimmer heller als zuvor erleuchtet. Erschrocken
im Bette auffahrend, erblickte sie durch den Spalt des Vorhanges einen jungen
Offizier in französischer Uniform, der mit brennendem Armleuchter dem Tische
in der Mitte des Gemaches zuschritt. Er schien die Entsetzte, die vor Angst und
Verblüffung keinen Laut hervorbrachte, gar nicht zu bemerken, setzte den Leuchter
auf den Tisch und ging dann ruhelos auf und ab, finster zu Boden starrend
und in sichtlicher heftiger Erregung allerlei Unverständliches vor sich hinmurmelnd
. Endlich blieb er stehen, stieß die deutlich vernehmbaren Worte hervor:
,,Cest pour moi le coup de mort!", riß einen Revolver aus der Tasche und setzte
ihn an die Schläfe. Es krachte ein Schuß — und das Gemach war wieder dunkel
und totenstille wie zuvor. Jetzt wollte die Gräfin um Hilfe rufen, aber die
Stimme versagte ihr noch immer, und als sie aus dem Bette springen wollte,
fühlte sie, daß sie kein Glied rühren konnte und wie von einem Starrkrampf befallen
war. In diesem qualvollen Zustand verbrachte sie den Rest der Nacht wie
auch die ersten Morgenstunden. Ihre besorgte Reisegefährtin ließ an die Tür
pochen, aber die Gelähmte konnte weder antworten, noch sich Dewegen. Endlich
wurde die Türe, die sich als doppelt verschlossen erwies, gewaltsam geöffnet,
man bemühte sich um die Hilflose, wusch ihr das Antlitz mit kaltem Wasser, rieb
ihr die Schläfen mit belebenden Essenzen, und erreichte so nach einiger Zeit, daß
sie wieder die Herrschaft über ihren Körper erlangte und ihr Erlebnis berichten
konnte.
So lebhaft sie beteuern mochte, während der Vision wach gewesen zu sein,
war man doch geneigt, das Ganze für einen schreckhaften Traum zu nehmen,
bis der sichtlich betroffene Hotelbesitzer den Damen erklärte, daß sich im gleichen
Zimmer einige Nächte vorher ein junger Offizier erschossen und daß man
auch aus diesem Grunde Bedenken getragen habe, es einer von den Damen anzuweisen
Wenn man an der Wahrhaftigkeit der Gräfin nicht zweifeln will — und
aut mich wenigstens machte sie einen durchaus vertrauenswürdigen Eindruck <—
so läge da einer jener Fälle vor, die du Prel unter der Bezeichnung „Geistertheater
" zusammenfaßte, und dahin charakterisierte, daß ein gewaltsamer Vorgang
seinen Schauplatz gewissermaßen infiziert, dergestalt, daß sich vor dem
inneren Sehvermögen entsprechend veranlagter Personen, die später an diesen
Ort gelangen, die betreffende Katastrophe immer wieder abspielt: etwa wie em
auf der Grammophonplatte markiertes Musikstück nur des bewegten Apparates
und der Berührung mit dem Stifte bedarf, um immer von neuem zu erklingen."
Anmerkung: Das Erlebnis der Gräfin Usedom, zu welchem sich mannigfache
Parallelen in der Literatur vorfinden, wird manchen Leser an die vor nicht
langer Zeit von Professor Jahn beschriebenen Phänomene erinnern, welche mit
der Person des Wiesbadener Schauspielers G. S. verknüpft sind (siehe Maiheft
1931 dieser Zeitschrift). Auch dort handelt es sich neben andern spukartigen
Vorkommnissen um drei zur Nachtzeit wie von einer Pistole abgegebene Schüsse
mitten in einem Zimmer, in dem sich, wie G. S. später erfuhr, ehedem ein
Selbstmord durch Erschießen ereignet hat. Durch die Lektüre der genannten
Veröffentlichung veranlaßt, machte ich die Bekanntschaft mit Herrn G. S., der
mir die Richtigkeit der Jahn'schen Darstellung vollauf bestätigte.
Tempo der Traumvorstellungen.
Von Ernst Schillemeit, Friedrichshagen.
Gerhart Hauptmann berichtete dem bekannten Hellseher Hanussen folgendes
Traumerlebnis: (Ich gebe hier die Aussagen Hanussens fast wortgetreu wieder.)
Als angehender Großgrundbesitzer sah sich Gerhart Hauptmann vor einer
Reihe von Jahren gezwungen, während der Erntezeit schon um 4 Uhr morgens
das Bett zu verlassen, da ihm sehr viel daran lag, die Feldarbeiten persönlich zu
überwachen. Um nicht die Zeit zu verschlafen, wies er seinen Flurhüter an, jeden
Morgen punkt 4 Uhr, wenn er an dem Hause des Dichters vorüberging, draußen
an der Glocke zu ziehen, welche direkt in das Schlafgemach Hauptmanns führte.
Eines Morgens nun vernahm der Dichter deutlich das Anschlagen der Glocke,
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