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spricht aber, daß der dritte Fall offenbar nur durch Hellsehen zu erklären ist
und daß das dort vorkommende panoramatische Erleben sich auch im ersten
findet, auch der zweite könnte in diesem Sinne gedeutet werden. Die Wurzel
aller dieser Wahrnehmungen scheint also (ganz abgesehen davon, daß sich auch
die Theorie der Gedankenübertragung nicht ohne weiteres unserer physikalischen
Erkenntnis einordnen läßt) die gleiche zu sein — liegt es nicht näher,
hier den Ursprung dieser Erkenntnis zu suchen, also tatsächliches Hellsehen
anzunehmen, als in dem ersten Falle die Erfassung eines fremden Gedankeninhaltes
, den sie erst unter Millionen Menschen ermitteln mußte? Mir scheint,
daß gegenwärtig mit dem Begriff der Gedankenübertragung in manchen okkulten
Kreisen ein ziemlich großer Mißbrauch getrieben wird, indem diese
sozusagen eine Erklärung für alles darstellt; zwischen einer Verbindung zwischen
Geber und Nehmer, die sympathisch aufeinander eingestellt sind, und
Fällen wie dem ersten der drei genannten scheint ein großer Unterschied zu
sein, und so dürfte vielleicht gerade der letzte Fall geeignet sein, ein bezeichnendes
Lichl auf solche zu werfen, bei denen man bisher ohne weiteres mit
einer Annahme von Gedankenübertragung glaubte auskommen zu können.
Berichte über Spontanphänomene.
Fernwirken einer Sterbenden.
Von Geh.-Rat Professor Dr. Ludwig, Freising.
Ein durchaus glaubwürdiger, sehr geachteter Herr, der an der hiesigen Realschule
Professor war und nun als Pensionär das otium cum dignitate genießt,
erzählte mir, daß er an seiner Mutter, einer Förstersfrau, mit innigster Liebe
hing. Er studierte in München am Gymnasium. Es war der ?6. November.
Von einem Spaziergang mit einem Freunde heimgekehrt, legte er sich ermüdet
aufs Bett, während cler Freund am Fenster saß. Es war nachmittags nach
5 Lhr und bereits Dämmerung. Plötzlich fährt der junge Mann aus leisem
Schlummer auf und ruft: „Warum läuten sie denn jetzt mit allen Glocken?!"
Der Freund antwortet: .,Du irrst dich, es läutet nicht." Jener aber springt aus
dem Bett, reißt das Fenster auf und ruft: „Freilich läutet es, hörst du es denn
nicht?" Der Freund verneint es. Am nächsten Morgen kommt unerwartet der
ältere Bruder ins Zimmer. „Warum kommst denn du, sagt der junge Mann,
ist etwa der Vater krank?" Der eben Angekommene schüttelt mit dem Kopf.
Da erinnert sich der Gymnasiast an den gestrigen unerklärlichen Vorgang und
sagt bestimmt: „Dann ist di( Mutter gestorben." Es war so. Sie war am Nachmittag
vorher zwischen 5 und 6 Uhr verschieden. 4ber auch die beiden Schwestern
des Jungen fühlten in der Ferne das Sterben der Mutter. Die ältere
Schwester, bei der auch die jüngere weilte, lebte einsam in einem Forsthaus,
nicht sehr weit vom Kloster Scheyern entfernt. Es war der ^5. November
abends. Im Zimmer saß außer den beiden Schwestern noch der Forstgehilfe.
Man erwartete den Förster aus München zurück. Da klopfte es um i/2n Uhr
dreimal nacheinander in kurzen Pausen am Fensterladen. Der Forst gehilf e
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