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v. Schrenck-Notzing f: Die Entwicklung des Okkult, z. Parapsychologie. 4C3
Mit den erworbenen Grundbegriffen versucht der Autor dann eine Ergänzung
der herkömmlichen lleligionspsychologie.
Nach einer Besprechung der seelischen Spaltungen, der Extasen, Auto-
matisnien, wird die Komplexpsychologie der Erweckung und Vergottung behandelt
. Alle Faktoren, die bei der Entwicklung des Mystikers eine Rolle
spielen, sind an der Hand einer ungewöhnlich reichhaltigen Literatur berücksichtigt
: so der religiöse Wahnsinn, die Hysterie, die Psychasthenie, die Angstneurose
, die Geschlechtlichkeit, Erotomanie, Psychologie der Liebe und Heiligenhysterie
, der Komplex der Mystiker, die automatistische Offenbarung so-
wie die psychoanalytische Kritik der Offenbarungen.
Den Schlußabschnitt des ersten Teils füllt eine Erörterung des mystischen
Erkennens aus, und zwar: aussprechbare Einsichten, unaussprechbare Einsichten
und die Unio mystica mit der dazu gehörigen Kritik.
Erst nach dieser außerordentlich gründlichen Auseinandersetzung (auf
334 Seiten), wird ein ebenso umfangreicher Teil der Phänomenologie des
Okkultismus eingeräumt. Das Einzelbewußtsein ist bei Mattiesen nicht schlechthin
einheitlich, sondern in sich verkapselt und hat Teil an dem Bewußtseinsinhalt
eines Ueber-Ichs, das mehr umfaßt, als den Inhalt von Bewußtsein und
Unterbewußtsein der Einzelperson (Telepathie und Hellsehen).
Um das Hellsehen verständlich zu machen, läßt der Autor einen Rückgriff
auf ein allumfassendes, kosmisches und göttliches Bewußtsein zu. Außerdem
wird von ihm die sogenannte Doppelgängerei als Talsache anerkannt.
In der Frage der Phantombildungen nimmt die Besprechung der Halluzi-
nationshypothese einen ungebührlich breiten Raum ein.
Wie Hoff mann in seiner Kritik Mattiesens (Zeitschrift für Parapsychologie
, 1926, S. i83) mit Recht betont, sind die neueren, namentlich deutschen
Forschungen über Telekinese und Teleplastie viel zu wenig berücksichtigt, wie
überhaupt die Leistungen deutscher Forscher auch sonst ungenügend zur Geltung
kommen. Das liegt einmal an dem Umstände, daß dieses Lebenswerk
des baltischen Philosophen ganz im Auslande (besonders London) enIsland
und bereits im wesentlichen 1914 fertig war.
Während des Krieges weilte der Autor nicht in Deutschland. \ber nach
dem Friedensschluß hätte er Gelegenheit genug gehabt, besonders während
seines mehrjährigen Aufenthaltes in Bayern, diese Lücke auszufüllen.
Seine ganzen Auslassungen über das Materialisationsproblem entsprechen
z. B. etwa dem wissenschaftlichen Standpunkt von 190J bis 1912, nicht aber
dem heutigen. Die vitalistische Philosophie von Driesch und Uexküll, die schon
seit einer Reihe von Jahren Eingang in die deutsche Parapsychologie gefunden
hat, ist überhaupt nicht berücksichtigt. Der Name Driesch wird nur ein ein-
zigesmal, und zwar in anderem Zusammenhang, zitiert. Auch Oesterreich ist
Mattiesen nur aus seinen früheren, psychologischen Arbeiten bekannt. Auch
die schon mehrere Jahre vor Herausgabe des „Jenseitigen Menschen" erschienenen
Schriften von Wassielewski, Grunewald und Schwab, denen doch in der
deutschen parapsychologischen Forschung nicht zu unterschätzende Bedeutung
zukommt, finden bei Mattiesen keinerlei Erwähnung.
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