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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0459
408 Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. (September 1032.)

„,Gott" dock ein Gott der Lebenden sei, und nicht der Toten. Hier aber wird
vielleicht das erstemal der Dualismus in der seelischen Einstellung faustischer
Eigenart, sichtbar, die das Trenszendentale anders erschaut als der magische
Mensch des Morgenlandes. Denn während dieser den Weltschöpfer im engsten
Umkreis seines Horizontes stets als unmittelbare Gegenwart erlebt, sucht ihn
jener in Weltenfernen, weit über die Grenzen seiner Erdenbindung hinaubgrei-
fend, womil er, dem Dogma doch entgegenhandelnd, in diesem dunkeln Drang
nach dem Unendlichen, wie der Faust der Dichtung, an den Geist angeschmiedet
bleibt, dei stets \erneint Und gerade dieses Verneinen eines ewig gültig Geglaubten
ist vielleicht das deutlichste Wahrzeichen unserer Gegenwart.

Das Weltbild des abendländischen Menschen wird in seiner Idee schon im
Zeitalter der Renaissance deutlich kenntlich. Auch ei empfindet den Leib als
einen Kerker der Seele; aber weniger im dogmatischen Sinne, als im Sinne des
tatsächlich Gegebenen. Wenn er ins Transzendentale hinausstrebt, dann tut er
es nicht nur im Sinne der Mystik, nein, auch leiblich-materiell strebt er aus
seiner Erdgebundenheit heraus. Raumschiff, Flugzeug, Stratosphäre sind echte,
wenn auch Erfolg und Wirklichkeit gewordene Symbole faustischen Denkens,
das in den Bereich ferner Welten, in den Makrokosmos hinauszudringen sucht
aber auch den Mikrokosmos erkunden will und zu diesem Zweck das Mikroskop
erfand, so wie es sich im Fernrohr das Makroskop erfunden hat. Tatsächlich
gab es im vergangenen Jahrhundert eine Zeit, mit der die absolute Herrschaft
des Intellektes begonnen zu haben schien. Jedes Jahr verzeichnete neue Erfolge
des intellektuellen Fortschrittes. Der rechnerische Geist erzielte die höchsten
Triumphe. Unsichtbare Gestirne wurden errechnet und traten wirklich ins
Gesichtsfeld. Leib und Leben erschien als ein planvoll geordneter Kausalismus.
Was aber noch rätselvoll geblieben war, das wurde ohne Bedenken in Theorien
eingekapselt. Wie seltsam berührt es uns heute, wenn ein Gelehrter von dem
Format eines Heimholte erklärte, daß es den Menschen aus physikalischen Gründen
unmöglich sein werde, jemals zu fliegen! Wir begreifen, daß dieses „non
poterimus * aus unserer Anschauimgssprache völlig geschwunden ist, wenn wir
heute unsere Luftriesen Kontinente überqueren sehen.

^ Es ist selbstverständlich, daß die Denknormen eines bestimmt gerichteten
Menschentums auch die spezifische Mote dieses Menschentums tragen müssen.
So wie wir in der Euklidischen Geometrie den mathematisch-symbolhaften*
Ausdruck antiker Geisteseinstellung erkennen dürfen, so dürfen wir auch erwarten
, daß unsere Wissenschaft Züge einer nur unserem Denken eigenen
Doktrin aufweisen wird. Zwar gibt es in jeder Wissenschaft einen objektiven
Kern, der von der Richtung der jeweiligen Geisteseinstellung unabhängig
bleibt, aber die Fragen, die wir an die Wissenschaft zu richten gewohnt sind,
sind sicherlich nur Ergebnis einer nur uns eigenen geistigen Disposition.

So lag es dem Menschen der Antike, der ja noch nicht einmal bis an die
Grenzen dieser Erde gekommen war, völlig ferne, über ihre Grenzen hinaus
zustreben und wenn der Mythos vom Ikarusflug das Gegenteil zu beweisen
scheint, dann dürfen wir nicht vergessen, daß diesem ja keineswegs die symbolhafte
Bedeutung zukommt, die wir ihm, nach unserer völlig andern Geistes-


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