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410 Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. (September 1932.)
ein derartiges Galiläisehes System annehmen, so ist jedes andere, das zu diesem
gleichförmig und drehungsfrei bewegt ist, ebenfalls ein Galiläisehes System,
das heißt, das Naturgeschehen verläuft für alle diese Beziehungssysteme nach
den gleichen Gesetzen. Diese Aussage nennen wir das Relativitätsprinzip. Nehmen
wir nun an, ein Eisenbahnzug fahre mit der Geschwindigkeit von ioo Stun-
denkilomoter längs eines Bahndammes. — Am Bahndamm steht ein Beobachter,
in der Entfernung einiger Kilometer ein Mast einer Radioantenne. In diesen
Mast schlägt nun der Blitz ein. Ist dieser Blitzschlag ein für den Beobachter1
am Bahndamm und den im fahrenden Zug gleichzeitiges Ereignis? Nein! Denn
der Beobachter in dem diesem Ereignis entgegenfahrenden Zug wird den Lichtschein
früher wahrnehmen, als der Beobachter am Bahndamm. Daß die Beobachtungsdifferenz
nur mathematisch feststellbar ist, darf uns hier nicht tangieren
. Die Lichtgeschwindigkeit besitzt den endlichen Wert von 3oo ooo Sekundenkilometer
, ist also jedenfalls nicht unendlich groß. Denn nur bei unendlich
großer Lichtgeschwindigkeit würde auch diese, nur mathematisch feststellbare
Beobachtungsdifferenz, verschwinden. Aus dieser Tatsache aber ergibt sich
nun ein Widerspruch zum Relativitätsprinzip, das ja hier die Gleichwertigkeit
ohne Rücksicht auf den Bewegungszustand verlangt. Dabei haben wir stillschweigend
vorausgesetzt, daß der fahrende Zug skh gleichförmig fortbewegt
und keine Kur\cn durchmißt. — Hier konnte nun Einstein durch eine Analyse
des Zeitbegriffes in der Physik zeigen, daß die Unvereinbarkeit von Relativi-
tätsprinzip und Lichtausbreitungsgesetz fortfällt, sofern man eine Relativität
der Gleichzeitigkeit in die Theorie einführt. Em relativer Zeitbegriff ist der
alten Physik fremd, die vielmehr nur absolute Zeitangaben kennt. Dieser kurze
Ueberblick über einige Ergebnisse der speziellen Relativitätstheorie war unerläßlich
, um die Bedeutung des Begriffes der Masse in diesem System leichter
\erständlich zu macheq. Die vorrelativistische Physik kennt hier zwei grundlegende
Fundamentalst tze: nämlich den Satz von der Erhaltung der Masse,
und den Satz von der Erhaltung der Energie. Diese Sätze sind voneinander unabhängig
, die Relativitatslehre aber zeigt sie in ihrer Abhängigkeit voneinander
und kommt zu dem Ergebnis, daß ein Körper, der bewegt wird, seine Masse vergrößert
, weil er durch die Bewegung eine Energiezunahme erfährt. Daraus
aber ergibt sich der die ältere Anschauung der Physik völlig umstürzende Satz^
daß die träge Masse eines Körpers keine Konstante ist, sondern veränderlich nach
Maßgabe seiner Energieveränderung. Ein in Bewegung befindlicher Körper ist
also schwerer als in seiner Ruhelage, und desto schwerer, je schneller er bewegt
ist. Praktisch macht sich dieser Gewichtszuwachs allerdings nicht bemerkbar,
weil wir nicht imstande sind, Körpern genügend große Beschleunigungen zu erteilen
. So ist z. B. das Materienäquivalent einer dahinsausenden Kanonenkugel, ,
die eine Geschwindigkeit von mehreren Sekundenkilometern besitzt, noch so
klein, daß es nicht einmal sichtbar sein würde I Trotzdem ist aber nach dieser
Theorie der Schluß erlaubt, daß Masse konzentrierte Energie ist, in einem win- •
zigen Massenteilchen also schon uugeheure Energiemengen schlummern. Welche
Bedeutung dieser Erkenntnis für die Parapsychologie zukommt, wollen wir
später untersuchen. Die übrigen Ergebnisse der Theorie, die keine praktische
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