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Mannheimer: Das mod. Weltbild in seiner Bedeutung f. d. Parapsychologie. 413
alles, was wir als Erkenntnisse anzusehen gewohnt sind, sind im Grunde lediglich
Zuordnungsdefinitionen und nur die Verwechslung von Erkenntnis und
Definition hindert die Umbildung unseres Erlebens. Interessant ist es nun,
nach den Verhältnissen des Raumes zu fragen. Sowohl die a priori-Philosophie
wie die vorrelativistische Physik, die ja dieser a priori-Philosophie in ihren
Grundlagen noch keineswegs widersprach, sahen für die Gesetze des Raumes die
Euklidische Geometrie als richtige und einzig mögliche Maßgrundlage an und
so war dieser Raum natürlich überall unendlich und unbegrenzt. Als aber die
Relativitätslehre zeigte, daß der Raum wohl unbegrenzt, aber endlich sei, daß
seine Struktur nicht euklidisch, sondern sphärisch gedacht werden müsse, was
besagt, daß das zweidimensionale Kugelflächenkontinuum in das um eine Dimension
erweiterte dreidimensionale Konlinuum umgedacht werden müsse, um
eine beiläufige Anschauung dieses Raumes zu gewinnen, da erhob sich die
Frage, wie nun eigentlich die ,,wirklichen" MaßverhälInisse des Raumes beschaffen
seien. Tm Sinne dieser parakausalen Naturphilosophie ist die Frage
erst dann zu lösen, wrenn definiert wird, welche Kongruenz für diesen Raum
güllig sein soll. Die Aussage, welche Geometrie im Räume gilt, ist also an sich
sinnlos; sinnvoll wird sie erst dann, wenn die Angabe gemacht wird, welche
Zuordnungsdefinition für den Vergleich entfernter Längen gewählt wurde.
Der Raum an sich hat überhaupt keine bestimmte Metrik; er ist eine stetige
dreidimensionale Mannigfaltigkeit. Es ist eine Tatsache der Beobachtung, daß
der Raum in der Umgebung großer Massen gekrümmt wird; somit «sind die Gesetze
des Raumes nicht selbständig, sondern sie sind durch die Materie bedingt.
Will man aber die Euklidische Geometrie für diesen Raum in Geltung belassen,
dann muß man eine Kraft annehmen, die die Maßstäbe bei \nnäheruiig großer
Massen nicht-euklidisch verändert. Diese Annahme wäie jedoch weil weniger
zweckmäßig, als eben das Einbekenntnis einer Nicht-Euklidischen Raummetrik.
Wir sehen, daß der uns allen vom Standpunkt der Kausalphilosophie geläufige
Raumbegriff eine völlige Auflösung erfahren hat. Nicht anders verhält es sich
mit dem Zeitbegriff. Die Grundlage unserer Zeitmessung ist der durch die
Erdumdrehung bedingte periodische W echsel von Tag und Nacht, letzter» Endes
also die Lichtuhr. Die Zeitmessung wird hier also in ein Abhängigkeitsverhältnis
von der Lichtgeschwindigkeit gebracht; nun erinnern wir uns aber, daß
wegen der Endlichkeit dieser Lichtgeschwindigkeit absolute Zeilangaben unbestimmt
sind. Tatsächlich messen wir nie reine Zeit, sondern nur zeilliches Geschehen
. Die Gleichheit aufeinanderfolgender Zeitstrecken aber läßt sich nicht
erkennen, sondern nur definieren. Das gilt besonders dort, wo es sich um den
Vergleich entfernter Ereignisse handelt. Es gibt eben nur einen Nahvergleich.
Was ich bei Fernvergleichung als „gleich" ansehe, kann nicht erkannt, nur
definiert werden, liier erscheint also auch der aphoristische Zeilbegriff vollständig
aufgelöst. Ich wiederhole, daß dieses aus den neuen Ergebnissen der
exakten Wissenschaften abgeleitete philosophische System mit der Frage steht
und fällt, ob es reine Erkenntnis gibt, oder aber ob Erkenntnis erst durch ihre
Messung möglich wird, wobfi unter „Messung" natürlich nicht physikalism-
starre Maßstäbe zu verstehen sind, sondern hierfür natürlich nur spezifische
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