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416 Zeitschrift für Parapsychologie. Q.Heft (September 1932.)
daß sich für ein mit der Sonne verbundenes Bezugssystem die Erde bewegt,
für ein mit der Erde verbundenes hingegen die Sonne. Was aber nun „absolut*'
„wahr" ist, kann nach dieser Theorie überhaupt nicht entschieden werden.
Ich habe dieses Beispiel gewählt, um zu zeigen, wie sinnlos Fragen und Ergebnisse
werden können, wenn man sie aus einer Theorie einfach isoliert. Aber
es ist noch ein anderes, schwerwiegendes Faktum, das den oben bezeichneten
Weg einer Erklärung der Materialisationsphänomene heute wenigstens noch
nicht gangbar erscheinen läßt. Wir haben gehört, daß dem Energiezuwachs einer
fliegenden Kanonenkugel ein Materienäquivalent (gegenüber der Ruhelage
dieser Kugel) entspricht, das überhaupt noch gar nicht sichtbar ist, nur rechnerisch
festgestellt werden kann. Und nun bedenke man die ungeheure zerstörende
Kraft eines solchen Geschosses und erwäge einmal, welche Energieentwicklung
erforderlich wäre, um die physikalische Masse der Materialiaations-
phänomene zu produzieren: Eine solche Energie würde imstande sein, die
stärksten Festungen beim ersten Anprall umzuwerfen, und wir müssen es als/
glückliche Fügung ansprechen, daß die menschliche Psyche nicht über derart
ungestüme materielle Kräfte verfügt. Aber noch ein anderes Faktum spricht
gegen den angeführten Erklärungsversuch: Ein einwandfreier Nachweis psychodynamischer
Vorgänge mit materieller Wirkung wurde bisher noch nicht erbracht
. Wohl sind eine Reihe hochinteressanter Versuche gemacht worden, aber
dis Ergebnis läßt einen zweifelfreien Rückschluß nicht zu. Dieser Kachweis
aber müßte doch unschwer zu erbringen sein, wenn eine {solche Psychodynamik
Kräfte zu entwickeln vermöchte, die jene einer fliegenden Kanonenkugel um
ein Vielfaches übertreffen! Zudem würde hier der mit so viel Recht bekämpfte
psychophysische Parallelismus seine Auferstehung feiern. In Wahrheit
ist die relativistische Energie-Masse-Relation für die Parapsychologie nur hypothetisch
brauchbar. Sie würdf allerdings in dem Augenblick für unsere Wissenschaft
\on entscheidender Bedeutung werden, in dem der Nachweis extensiver
psychodynamischer Vorgänge einwandfrei gelungen ist. Die Ergebnisse der
Relativitätstheorie sind demnach heute für die Parapsychologie nicht mehr als
eine bloße Hoffnung.
Ein wenig anders verhält es sich mit den Ergebnissen der Ouantenphysik.
^lier muß ich vorausschicken, daß Relativitäts- und Quantenph\sik einander
nicht cbva widersprechen, sondern daß sie inhaltlich voneinander verschieden
sind, daß beiden ein anderer Fragenkomplex zugrunde liegt. Das wesentlichste
Ergebnis der Quantenlehre ist ein gewisser Indeterminismus der Vorgänge im
Bereich der Mikrophysik. Dieser Umstand ist natürlich für die Parapsychologie
von besonderer Bedeutung. Denn er besagt, daß ein Vorgang, der makrophysikalisch
, also im Bereich der praktischen Beobachtbarkeit, immer das gleiche
Endergebnis zeitigen muß, sich mikrophysikalisch doch immer in anderer Art,
abwickeln wird, ohne daß an dem Schlußresultat hierdurch etwas geändert
erscheinen würde. Das aber widerspricht dem strengen Kausalismus der früheren
Physik. Die Kausalität, die in dieser Physik bedingungslose Geltung h^saß,
ist in der Quantenphysik durch die statistische Wahrscheinlichkeit ersetzt worden
. Nun sind die Phänomene der Parapsychologie nach unserem heutigen
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