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420 Zeitschrift für Parapsychologie. O.Heft. (September 1932.)
Medium) ein Zigarettenetui, welches er zuvor einem anderen Herrn aus der
Tasche gezogen hatte, in dem Ridikül einer bestimmten Dame und gibt dann
noch den Auftrag, daß der Hypnotiseur später den ganzen bisherigen Vorgang
nachmachen solle und eine ganz bestimmte Zigarette, z. B. die dritte von links,
einem weiteren Herrn in den Mund stecken solle. Nunmehr wird der Hypnotiseur
wieder in den Saal gerufen, nimmt die Hand des „Mediums" in die seinige,
die Hand des andern am Handgelenke, in der Pulsgegend fassend, und führt
die vorbeschriebene Aufgabe, entweder tastend und suchend oder oft mit verblüffender
Schnelligkeit das „Medium" mit sich ziehend, zur großen Ueber-
raschung des Publikums bis zum Schlüsse richtig aus. -~ Ich habe bei derartigen
Vorgängen oft genug die Erfahrung machen können, daß Leute, die derartige»
zum ersten Male mit ansahen, an ein Variete-Stückchen glaubten, etwa nach der
Art der sogenannten mnemotechnischen Tricks, die stets auf vorher vereinbarten
Systemen mit dem Partner beruhen. Hiervon kann natürlich gar keine Rede
sein, es geht alles ohne vorherige Kenntnis und ohne Schwindel vor sich. (Ich
selbst habe zum ersten Male vor mehr als 40 Jahren derartige Vorstellungen von
Mr. Cumberland gesehen, die ich dann zu Hause sofort nachmachen konnte.)
Zunächst ist hier zu sagen, daß der Ausdruck „Telepathie" für den soeben
beschriebenen Vorgang nicht am Platze ist, zum mindesten recht unglücklich gewählt
erscheint. Das griechische „tele" ist ja aus den Wörtern Telegramm,
Telephon usw. zur Genüge bekannt und bedeutet lediglich: die Ferne. Das ebenfalls
griechische „pathos" oder „pathe" muß keineswegs ein Unglück oder Leid
ausdrücken, wie in Pathologie usw., sondern es bedeutet in seiner ursprünglichen
Form lediglich einen Vorgang, ein Erlebnis. Das ganze Wort Telepathie würde
demnach einen, auf eine Entfernung bestimmten, Vorgang bedeuten.
Wie spielt sich aber nun der soeben geschilderte Vorgang in Wirklichkeit
ab und was ist er in Wahrheit? - Die rein körperliche Berührung des Hypnotiseurs
mit dem „Medium*' läßt zunächst einmal den ganz klaren Rückschluß zu,
daß es sich hier in erster Linie um ein feines Muskelgefühl handeln muß, das
dem Hypnotiseur eigen ist. Zumal er ja seinen Partner, ihn am Pulse fassend,
durch den Saal führt. So sehr sich auch das „Medium" Mühe geben mag, objektiv
zu bleiben, so wenig kann es ihm gelingen. — im Gegenteil! Ich möchte geradezu
behaupten, daß — vom rein physiologischen Standpunkte aus betrachtet
- die größere Mühe des „Mediums", sich nicht zu verraten, durch seine
größere Willens-, Muskel- und Nervenanspannung dem Hypnotiseur die Sache
direkt erleichtert, z.B. durch beschleunigten Puls u.a. Hierzu kommt ja
noch hin/u, daß 200 bis 300 Personen im Saale anwesend sind, welche alle den
zu rekonstruierenden Vorgang kennen, daß daher ein gewisser Prozentsat/ von
diesen wohl imstande sein kann, durch eigene Suggestion den Hypnotiseur auf
die richtige Bahn zu lenken — Ich habe daher in den geschilderten Vorgängen,
die ich unzählige Male mitangesehen habe, eine reine Telepathie nicht erblicken
können. - Ich nahm einmal vom Podium herab das Wort, um das Publikum
darüber aufzuklären, daß wir alle ja ein ganz ähnliches Spiel aus unserer
Kindheit her kennen. Ich erinnerte an das Spiel, bei welchem auch in der Abwesenheit
eines Kindes ein Gegenstand versteckt wird, und die anderen Kinder,
sobald das erste Kind wieder im Zimmer ist, es mit den Worten zu führen
suchen, indem sie abwechselnd rufen „heiß" -- „heiß" oder „kalt" =- „kalt",*
je nachdem das suchende Kind dem versteckten Gegenstande nahe kam oder sich
von ihm entfernte.
Ich schlug einmal einem Vortrag haltenden Herrn vor, mit ihm eine wirkliche
Gedankenübertragung zu machen ohne jede Berühi ung
meinerseits mit ihm. Vor geladenen Gästen spielte sich der Vorgang in
meiner Wohnung folgendermaßen ab. Ich hatte drei zu machende Experimente
zuvor mit der Schreibmaschine auf Zettel geschrieben, jedes in ein Kuvert getin
und verschlossen, ohne daß außer mir irgend jemand etwas hiervon wußte. Es
wurde auch mit voller Absicht dem Hypnotiseur nichts davon gesagt, um jeden
möglichen Einwand von Hellseherei auszuschalten. — Die drei Kuverts wurden
erst nach Schluß des letzten Experimentes geöffnet und der Text verlesen.
Der erste Auftrag lautete: 1. Herr X. geht aus dem Wohnzimmer in den
Salon, sucht dortselbst die Gießkanne und begießt einen ganz bestimmten Blumenstock
, der unter mehreren im Zimmer steht. Ich faßte den Herrn nicht
an, sprach überhaupt kein einziges Wort, sondern dachte nur mit der ganzen,
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