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Kleine Mitteilungen.
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mir zu Gebote stehenden, Willens- und Konzentrationskraft an die gestellte Aufgabe
. (Ich muß hier einschalten, daß ich schon als junger Student an Personen,
die ich zum ersten Male in der Klinik sah, durch das bloße befehlende Wort:
„Sie schlafen jetzt und werden nichts spüren", ä tempo tiefe Hypnosen erzielen
konnte, in denen kleine chirurgische Eingriffe schmerzlos gemacht werden
konnten.) Die Aufgabe Nr. 1 gelang schnell und restlos fehlerfrei — Nr. 2 lautete:
Herr X. schiebt die Türen zum Nachbarzimmer auf, macht dort Licht und geht
an den Bücherschrank. Dieser ist zwar verschlossen. Wenn man aber nach Art
eines Einbrechers den Schrank zu öffnen versucht, so springt die Tür ohne
weiteres auf. Herr X. hat es so zu machen. Er sucht sodann aus den 12 Bänden
der Werke Goethes denjenigen Band heraus, in welchem Faust I. enthalten
ist, legt das Buch auf den Tisch des Wohnzimmers, in dem alle sitzen, und schlägt
auf und liest: „Habe nun, ach, Philosophie." — Dieses Experiment gelang bis
zum Buchaufschlagen, es gelang aber nicht, daß Herr X. den Text vorlas. Ich
komme auf die Ursache hierfür später zurück. — Das Experiment Nr.3 lautete:
Herr X. geht an die Stelle, wo die Schreibmaschine steht. Dortselbst ist ein
ziemlich schwer zu findender elektrischer Schalter; Herr X. knipst das Licht an.
Dann hebt er den Deckel der Maschine ab. Ein Blatt Papier hatte ich zuvor
schon eingespannt, da ich nicht wußte, ob Herr X. Maschinenschreiben könne,
und es für ziemlich schwierig hielt, ihm die Ausführung einer rein maschinentechnischen
Handhabung durch Gedankenübertragung /u suggerieren. Dann
sollte Herr X. den Namen meiner Frau „Maria Paradies" schreiben. Es gelang
alles recht schnell und gut — bis auf das Schreiben des Namens, bei welchem
Herr X. herumsuchte, ohne recht zu finden. — Ich brach das Experiment ab, da
mir mehr daran lag, die Ursachen der Fehler bei Nr. 2 und 3 zu erklären, als
den Versuch tadellos zu Ende zu führen. — Was waren nun die Gründe für d*jn
teilweisen Mißerfolg der beiden letzten Experimente? Ich sah sie in lolgendem:
während ich selbst andauernd den Gesamtbegriff „habe nun, ach, Philosophie"
und „Maria Paradies" suggerierte, suchte Herr X. tastend, mechanisch, Stückchen
für Stückchen vorwärts zu gelangen. Würde ich ihm beim Lesen und Umblättern
des Faust L, den er ganz richtig in Händen hatte, rein mechanisch
suggeriert haben: blättere weiter — halt! — die nächste Zeile usf., dann wäre
es gelungen. Ich fühlte dieses bei seinem Suchen sehr wohl, aber ich hielt
strenge an dem von mir geplanten Vorsatze fest, eine rein geistige Ueber-
•tragung zu erzielen, keine mechanisch-physikalische. Und dies scheiterte an dem
nur physikalisch eingestellten Empfangsvermögen des Herrn X. — Ebenso hätte
ich ihm anstatt des ganzen Nameffs meiner Frau einfach das Alphabet hindurch
oder die drei Zeilen der Tastatur entlang buchstabenweise bei den einzelnen
Buchstaben ein Halt! kommandieren dürfen, dann wäre auch das dritte Experiment
bis zum Ende gelungen. — Immerhin hielr ich den Erfolg einer reinen Gedankenübertragung
ohne Kontakt dennoch für erbracht. — Worauf diese Ucber-
tragung beruht, werde ich in einem späteren Artikel, der die „Entstehung und
Wirkung der Suggestion" behandelt, ausführlich zu erklären versuchen.
Bei einer anderen Gelegenheit habe ich mit einer jungen Dame, die sehr belesen
und recht geistig eingestellt war, den Versuch gemacht, sie ein Zitat erraten
zu lassen, welches ich auf einen Zettel geschrieben bei mir trug, welches
jedoch sonst niemandem bekannt gemacht war. Es schien zunächst nicht gelingen
zu wollen. Ich grift dann zu dem Hilfsmittel eines ganz kurze Zeit
dauernden körperlichen Kontaktes und sagte zu der Dame: ich lege jetzt meine
Hände 20 Sekunden lang auf Ihre Stirne, Sie werden dann sofort ein ganz bestimmtes
Wort wissen, wenn ich meine Hände entferne, und auf Grund dieses
einen Wortes sofort das ganze Zitat haben. Es geschah so. Und die Dame sagte
sofort nach Abheben meiner Hände von ihrer Stirne: „Ans Vaterland, ans teure,
schließ' Dich an." Der von mir gezeigte Zettel wies die gleichen Worte auf, von
denen Vaterland unterstrichen war.
Bei diesen ganzen Erscheinungen mit dem Herrn X. ist mir das auffallendste
damals der Umstand gewesen, daß er, als Berufshypnotiseur, bei mir nicht der
gebende, sondern der empfangende Teil war. Er bewies also, daß er sowohl der
Befehlende oder der Sender sein konnte, wie auch der Gehorchende oder der
Empfänger — Ich habe die gleiche Fähigkeit an mir dann später auch feststellen
können. Hierüber wird ein Artikel mit dem Thema „Okkulte Selbsterlebnisse
" näheren Aufschluß geben.
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