http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0506
Mattiesen: Nochmals: Der Austritt des Ich als spiritistisches Argument. 451
Subjekte beider Klassen bekunden denn auch die gleichen Empfindungen:
„Abstand des Phantoms, Gefühl der Leichtigkeit und des Wohlseins, der
Exteriorisierung (exteriorite), einer bestimmten räumlichen Anordnung des
Doppelgängers, zuweilen in der Höhe usw." — Genügt nun aber auch in den
Fällen der zweiten Gattung, also denen der echten „Exkursion", die von Dr. Osty
vorausgesetzte „Arbeit der Einbildungskraft" (travail imaginatif), um die
extreme Ausgestaltung des Phänomens zu erklären? In den Fällen der Sollier-
schen Autoskopie besteht diese Arbeit offenbar in der sich steigernden Ausbildung
einer Halluzination. Im ersten Stadium finden wir — rein
negativ — einen wechselnd großen Ausfall des Körpergefühls, so daß das Subjekt
„außerhalb seiner selbst zu denken" glaubt; oder es „fühlt sich als
zwei": als Körper und als (noch unsichtbaren) Doppelgänger, welcher der „Sitz
des Denkens" geworden ist. Bearbeitet die Einbildungskraft dann diese „Suggestion
der Verdoppelung" weiter, so wird sie die „Persönlichkeit des Doppelgängers
vervollständigen, indem sie ihm einen Körper und zuweilen auch die
Sprache zuteilt: das Subjekt sieht sich ... und hört sich mitunter auch". In
diesem Stadium weiß das Subjekt aber noch, daß das gesehene und gehörte
Phantom bloß ein double ist und nicht die eigentliche Persönlichkeit — la per-
sonnalite principale. „Nocb ein wenig weiter (sagt Osty), und die Arbeit der
Einbildungskraft erzeugt die gleiche Vision des Doppelgängers, aber mit dem
Gefühl, daß vom denkenden Ich nichts mehr im Körper verbleibe und daß es
vollständig in den double übergegangen 3ei. Der sich steigernde halluzinatorische
Vorgang gipfelt also schließlich darin1), daß das Subjekt gleichzeitig vollständig
das Gefühl, i n seinem double zu denken, und eine vollständige Vision
seines Körpers hat, wie er im Äugenblick ist. Das Subjekt glaubt sich vor
seinem Körper [zu befinden], außerhalb desselben zu denken und wahrzunehmen
, ihn also vollständig verlassen zu haben... Der scheinbare Unterschied
[der beiden Gattungen von Fällen] würde also beruhen auf einer größeren
Intensität der Halluzination [in der zweiten Gattung], aus der sich eine verstärkte
Illusion ergibt" (a. a. 0. p. 195).
Halten wir hier zunächst inne. Die Fälle von Exkursion (in unserem
Sinn) sollen also durch eine Steigerung des halluzinatorischen
Vorgangs aus den extremen Fällen von Autoskopie (im Sinne Solliers) hervorgehen
. Der extremste Fall von Autoskopie nun zeigte uns ein grell sichtbares,
laut (und etwa auch selbständig, d. h. vom Denken des Subjekts abweichend)
redendes Eigenphantom in klar bestimmbarem Abstand im Außenraum. Wie
kann dieser „halluzinatorische Vorgang", — ohne sein Grundwesen zu verändern
! — noch gesteigert werden? Ist es wirklich eine Steigerung dieses
Vorgangs, wenn das Subjekt seine Lokalisierung im Leibe, oder doch jedenfalls
außerhalb des double, nämlich an einem Wahrnehmungspunkt vor demselben
, plötzlich aufgibt und nach dem double hinüber-, in diesen hinein-
wechselt? Sicherlich nicht. Denn in diesem Augenblick müßte ja doch die
„Halluzination" des double völlig verschwinden; denn natürlich kann das
*) En se parachevatü le Processus hallucinatoire aboutit finatement en ceci...
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0506