http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0564
v. Schrenck-Notzing f: Die Entwicklung des Okkultismus zur Parapsychologie. 505
eignis, sondern eine Vision. Die Iloffmannsche Erklärung lehnt er ab. Die
spätere fromme Phantasie entwirft von den Erlebnissen ein anschauliches Bild.
Zur Beurteilung solcher Vorgänge muß die Psychologie der Vision (Halluzination
, Illusion, imaginative und intellektuelle Vision, Trance und Traumvision,
visionsartige« Legende) an der Hand des umfassenden Materials streng kritisch
berücksichtigt werden. Die Psychoanalyse und die geschichtliche Prüfung der
hellseherischen Visionen, der prophetischen Rückschau, der Weissagungen für
die Zukunft, der Fernschau und Durchschau (Durchschauen gegenwärtiger Personen
) hat, soweit das Neue Testament in Betracht kommt, im großen und
ganzen ein negatives Resultat. Als echt bleiben nach unserem lutor nur die
Weissagungen Jesu \on seinem Leiden, Sterben und Auferstehen, von Verfolgungskämpfen
und Familienzwist im Jüngerkreise, von der Güte des
Heiligen Geistes, vom Untergange Jerusalems und vom Weltende. Aber auch
die«e sind fraglos posl eventum mit allerlei Einzelheiten ausgestattet. Rust hält
auch hier die Annahme eines psychologisch geheimnisvollen Vorherwissens für
nicht genügend erhärtet.
Die Erfüllung der Weissagungen wird verglichen mit der Erfüllung von
Hoffnungen und Befürchtungen. Bewahrheitel sich eine Weissagung, so wird sie
von der Ueberlieferung festgehalten und post eventum möglichst ins einzelne
vervollständigt.
Im allgemeinen hat man es bei diesen Berichten mit legendären und unsicheren
Tatsachen zu tun, wobei sich ja allerdings der Vergleich mit der
parapsychologischen Erfahrung in zahllosen Beispielen aufdrängt.
Dem Werke ist ein größerer Abschnitt mit Anmerkungen, welche die wichtigsten
Literaturhinweise enthalten, angehängt. Aber die Beurteilung der biblischen
Wunder durch unseren Autor zeigt deutlich eine stark ausgeprägte,
rationalistische Einstellung, um so mehr, als durch literarische Mißverständnisse
an einzelnen Stellen handgreifliche Irrtümer entstanden sind. So wird z. B.
auf Seite 80 das Le\itationsphänomen im Hinblick auf analoge Berichte in der
Bibel besprochen. Rust beruft sich auf Tischner „Einführung in den Okkultismus
", Seite n3. Iiier wird folgendes behauptet: ,,Das Schweben des Mediums
über dein Boden kommt dadurch zustande, daß es Pseudopodien erzeugt ...
Alle diese telekinetischen Kraftäußerungen tragen einen mechanischen Charakter
, so daß die Pseudopodien einer festen Unterlage bedürfen."
Wird aber diese zu Wasser, so fällt nach Rust auch die Lcvitalionshypothesa
ins Wasser. Angenommen, Jesus hätte die mediale Fähigkeit des Levitierens besessen
, so hätte sie ihm nichts genützt, sobald die Unterlage nicht mehr fester
Boden, sondern Wasser war.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, wie ein Irrtum (nämlich derjenige Tischners)
fortzeugend Irrtümer gebiert. Denn es ist bis jetzt durch nichts erwiesen, daß
die Erhebung des medialen Körpers von seiner Unterlage durch Pseudopodien
zustande kommt, wie Tischner es behauptet. Wie wäre es «onst möglich für die
schwebende Person, sich in der Luft fortzubewegen und Ortsveränderungen vorzunehmen
^ So schwebte das Medium Home sogar zum Fenster hinaus. Man hat
wiederholt die Verbindung mit dem Boden durchschnitten, also die angeblichen
33
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1932/0564