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Walther: Neuere Forschungen auf dein Gebiete der Telepathie 539
{Erstmalig in meiner „Phänomenologie der Mystik", S. 53 ff., die bereits 1928
in Halle im Verlag Niemeyer erschienen ist.) Im Oklobcrheft io,3r des „Journal
of the American Society for Paychical llesearch" habe ich noclimals eingehend
/um Problem der „Psychologie der Telepathie'* Stellung genommen1).
In diesem Aufsatz kam es mir zunächst auf eine Klärung dessen an, was
unter Telepathie zu verstehen ist. Sehr oft versteht man unter Telepathie einfach
„Gedankenübertragung" und auch Meyers spricht in %einer oben (vgl.
Z. f. P., ]No\embeilieft i()3'>, S. /|8(>) erwähnten Definition \on der „Cbermitt-
lung \on Eindrücken ... von einem Bewußtsein zum anderen unabhängig von
den anerkannten sinnlichen Yei niitthingsweisen''. Demnach scheint man vorauszusetzen
, daß bei der Telepathie immci nur Gedanken oder doch mindestens
Bewußtseins inhalte übermittelt werden ^also z. B. Vorstellungen, Wahr-
nehniungsbild^r. irgendwie formulierte Gedanken usw.). Dies ist nun gewiß
auch sehr häufig, bei der experimentellen Telepathie wohl immer, der Fall,
trotzdem aber erschiene mir diese Definition zu eng, denu es kann sehr wohl
auch andere*« als Bewußtseinsinhalte übertragen werden, z. B. Gefühle, Stiebungen
, Stimmungen usw., wenn sich dies auch schwerer nachweisen läßt. So
berichtet Mis. Sinclair, wie sie deutlich die verzweifelte, deprimierte Stimmung
Jack Londons fühlte, die dann zu seinein Selbstmord führte. Es können also
alle Arten von seelischen Regungen und ihren (intenlionalen) Inhalten telepathisch
übermittelt werden, nicht nur letztere.
Es scheint mir dabei sehr fraglich, ob di«»se telepathisch libei mitteilen seelischen
Regungen und ihre intenlionalen Inhalte schon vom Ichzentrum des
.,Senders' aktualisiert ,ein müssen, um telepathisch übermittelt /u weiden.
In allen Fällen von experimenteller oder sonstwie beabsichtigter, also willen!
lichi r Telepathie ist die«, sicher der Fall, jedoch gibt es- zweifellos Fälle, wo Bedungen
im l nterbewußlsein eines Menschen, die im gegebenen Augenblick gar
nicht aktuell in seinem Bewußtsein cnlliallen sind, die er vielleicht sogai ,,vei-
diängt' hat, telepathisch auf einen anderen Menschen übertragen werden.
Ebenso scheint es mir fraglich, ob die telepathisch übermittelten Seelen-
regungen und deren Inhalte immer direkt in da* aktuelle Bewußtsein <ies Senders
eingehen. Schon Mrs. Sinclair hat darauf hingewiesen, daß die „Sendungen"
durch ihr l nti rbew ußhein hindurch gehen und von da er>t in ihr aktuelle« Be-
J) Die Vorgeschichte diese« Aufsatzes ist vielleicht nicht ohne Interesse.
Mein Lehrtr in der Philosophie und Phrenologie feierte im Frühjahr 1Q30 seinen
on. Geburtstag. Einige seiner Schüler wollten aus diesem Anlaß eine Festschiift
herausgeben und forderten auch mich zur Mitarbeit auf. Ich schlug als Thema
einen „Beitrag /ur Psvchologie der Telepathie" vor. Hitraui wurde mir mitgeteilt,
daß man eine Abhandlung über „so ein Thema" nicht aufnehmen könne und leider
auf meine Mitarbeit verzichten müsse, wenn ich nicht über ein anderes Thema
schreiben wolle. Hierauf ließ ich mich nicht ein, sondern veröffentlichte einen
Teil dessen, was ich in der Festschrift geschrieben hatte, in „Psvchic Research44.
Mein Lehrer, der nichts von der Festschrift wußte, kann natürlich nichts für diese
voieingenommene Haltung der Herausgeber, die typisch Ut für die Einstellung
weiter Kreise der offiziellen Wissenschaft. Unter dijsen Umständen ist es auch
nicht verwunderlich, daß die „Berliner Illustrierte Zeitung" in Nr. 10, 1932, über
Upton Sinclairs Experimente berichtete, als handle es sich um - ein neues Gesellschaftsspiel
des Gedankenenatens!
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