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550 Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (De/ember 1932.)
etwas Neues hinzukommen muß, damit es zu einem Miterleben, Wir-Erleben
und Gemeinschafts-Erleben wird1).
Es ist das große A erdienst von Dr. P. A. Dietz, dem Herausgeber der holländischen
„Tijdschritt voor Parapsychologie', der sich bekanntlich unlängst an
der Universitäl Leiden für Parapsychologie habilitierte, daß er in einer eingehenden
Studie über „Telepathie und Psychologie der Menge"-) auf die ungeheure
Bedeutung der Telepathie für die Psychologie der Massen und die losesle
Form der Vergemeinschaftung, die Menge, hinweist. Die für die Psychologie
der Massen und der Menge charakteristischen Erscheinungen der Einengung
des kritischen Bewußtseins, der Suggestibilität und Emotionalität, der Verantwortungslosigkeit
und Selbstüberschätzung können großenteils, wenn auch
nicht ausschließlich, durch Telepathie erklärt werden. Es wäie sehr zu wünschen,
daß diese Untersuchung \on Dr. Dietz in den weitesten Kreisen der Soziologen
und Geisteswissenschaftler Beachtung finden würde, damit in Zukunft
dem für die Soziologie so wichtigen Phänomen der Telepathie die ihm zukommende
Würdigung zuteil wird.
b) Psychotherapie.
Was für die Soziologie das Problem der Massen- oder Gemeinschaftsseele,
der „Sympsyche", wie es Dr. Dietz nennt, bedeutet, das bedeutet neuerdings
für die Psychotherapie das sogen. „Kollektivps^chisehe". Ging man früher von
dem isolierten Einzelnen in der Behandlung aus so erkennt man mehr und
mehr, daß vielo seelische Störungen über den Einzelnen hinausweisen und in
seiner Verbundenheit mit anderen Menschen (seinen Angehörigen, seinen Berufskollegen
usw., usw.) ihren Ursprung haben. Und zwar handelt es sich dabei
durchaus nicht nur um Beziehungen der Einzelnen mit und zwischen einander,
sondern um das unbewußte Ilerausleben aus ihrer innenn Verbundenheit und
um die großenteils unbewußt und ungewollt sich vollziehende Übertragung \on
Vorgängen im Bewußtem und Unterbewußtsein des einen auf den anderen.
Zur Erklärung dieser und anderer Erscheinung nimmt man neuerdings in der
Psychotheraphie, vor allem in der Jungschen Schule1), eine iVrt 'Gcmeinschaftb-
oder-^„Kollektive-Seele an, in der alle Individuen letzten Endes verwurzelt
sind, aus der sie in den tiefsten Schichten ihres Unterbewußtseins herausleben
Auch hier wieder könnte wahrscheinlich die Berücksichtigung der Telepathie
tiefgreifende Vufklärungen über viele der dem Kolleklivpsychischen zugeschriebenen
Erscheinungen bringen und in der Tat haben ja bereits eine
größere Anzahl von Psychotherapeuten und Psychoanalytikern, vor allem der
Jungschen Schule, die Wirklichkeit der Telepathie durchaus anerkannt. Sie
x) Vgl. die ausführlichen Analysen in meinem „Beitrag zur Ontologie der
sozialen Gemeinschaften".
2) „Telepathie en Psychologie der Menigte", Verlag E. Wegelin, Amsterdam
1931.
8lt Vgl. u. a. hierzu die Schrift von Dr. O. R. Heyer „Seelenräume" (bespr
im Juniheft 1932, der Z. f. P.) und das Buch von F. O. Wiekes: „Analyse der
Kinderseele" (bespr. im Septemberheft 1932, Z. f. P.). Siehe auch C. G. Jung: „Das
Ich und das Unbewußte".
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