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Kaindl: Was ich für einen Trugschluß Du Preis halte
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Die Analogien, auf welche sich Du Prel bezieht, bestehen allerdings, nur
nicht in bezug auf die Erkenntnis- und Wirkungsweise der Somnambulen
und der ,spiritistischen Phantome", denn jene sind außerorganisch
empfindende und wirkende, und diese bloße Produkte solchen
Wirkens, sondern sie bestehen in bezug auf den Erkenntnis- und Wirkensmodus
der inkarnierten und desinkarnierten Psyche oder der Lebenden
und der Abgeschiedenen, insoweit sich aus dem übereinstimmenden
Charakter der ante- und postmortalen Phantom- und Spukerscheinungen
mit Sicherheit schließen läßt. Die von der inkarnierten Psyche durch
außerorganisches Funktionieren ihrer Kräfte und Vermögen veranlaßten
Phänomene haben für die psychische Forschung den großen Vorteil, daß sie
ganz im Bereich ihrer Beobachtung liegen, während die von der desinkarnierten
Psyche hervorgebrachten abnormen Erscheinungen sich nicht bis zu ihrem
Ursprung zurückverfolgen lassen. Um diesem Übelstande abzuhelfen, sieht man
sich bemüßigt, seine Zuflucht zum Analogieschlu ß zu nehmen und von
gleichen Wirkungen auf gleiche Ursachen zu schließen.
Von dieser Freiheit ausgiebig Gebrauch machend, wäre es zu wagen, bei
der desinkarnierten, mit einem überphysischen (astralen) Organismus ausgestatteten
Psyche analoge ekstatische Ausnahmezustände anzunehmen
, wie sie bei der mit einem physischen Organismus versehenen Psyche ein
iwandfrei festgestellt worden sind.
Nimmt man an, daß der astrale Organismus sich mit dem physischen gleichzeitig
entwickelt, dann müßte jede Exteriorisation von sensiblem und motorischem
Nervenäther, als Träger des Empfindung«- und WirkungsVermögens,
die aus dem physischen Organismus stattfindet, gleichzeitig auch, weil in ihm
enthalten, aus dem „astralen" Organismus erfolgen.
Für das Vorhandensein eines überphysischen Organismus im physischen
scheint unter anderem auch die Tatsache der Exteriorisalion psychischer Kräfte
und Vermögen selbst zu sprechen, indem es undenkbar scheint, daß die weitmaschigen
Gewebe und porösen Strukturen des physischen Organismus fähig
sein sollten, die ihre Träger bildenden ätherischen Substanzen in ihren respek-
tiven Organen dauernd festzuhalten, wie es im Normalzustand des psychischen
Organismus tatsächlich der Fall ist. Man denkt dabei unwillkürlich an ü b e r -
physische Gewebe und Strukturen von einer für uns unvorstellbaren Dichte
und Feinheit und kommt so nolens volens auf die Idee eines ü b e r p h y s i -
sehen Organismus, der im Innern des physischen verborgen liegt.
Bestärkt in diesem Glauben wird man noch durch die Erfahrungstatsache,
daß Individuen, die schon während ihres LeibeJebens außerorganisch wirkten,
auch noch nach ihrem leiblichen Tode fortfahren, völlig gleichartige Phänomene
zu erzeugen, woraus hervorginge, daß die Grundursachen der ekstatischen
Ausnahm ezustände und somit auch der durch sie bedingten
abnormen außerorganischen Betätigung der seelischen Vermögen Und Kräfte
im überphysischen oder „astralen" Organismus, und nicht im physischen
liegen müssen.
Sind die ,. spiritistischen Phantome" nicht Produkte der abnorm erweise
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