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Kleine Mitteilungen. 561
Welt, das am 25. gleich wieder starb. Sie lebte damals mit ihrem Mann, einem
Beamten in dem Orte Silz bei Stams in Tirol. Die Mutter der Frau wohnte
damals in Frößnitz in Mähren. Sie wußte, daß die Geburt eines Kindes bei ihrer
Tochter /u erwarten war, nur naturlich nicht den Tag, und wartete immer auf
Nachricht. Diese \ er/ögerte sich dadurch, daß Frau B. /ieinlich erkrankt war, und
ihr Mann im Drang \ erschienener Geschäfte den Bericht an die Schwiegermutter
unterließ. Diese war also in xölliger Unwissenheit. Sie wußte weder von der Ge-
buit des Kindes, noch daß es gestorben war.
Als die kleine Leiche aufgebahrt wurde, schickte Frau B. ihre Magd /u dem
ein/igen im Ort befindlichen Geschäft, Gastwirt und Kramer, wo man selbst Rc-
krutenstraußehen, Frohnleichnamskrän/el und sonstige gemachte Blumen zu kaufen
bekam, um einen Grabkran/ für den Sarg des toten Kindes /u holen. Cs war
nur einer da, aus Maiglöckchen und unten mit drei roten Rosen gegiert. Diese
erschienen der Frau B. für ein Kinderbegräbnis nicht passend, und so machte
sie sich daran, mit einer Schere die drei Rosen aus dem Kran/ herauszuschneiden
. Während sie dies tat, kam ein Brief von der in Mahren lebenden Großmutter
an den Schwiegersohn, den aber Frau B. aufmachte.
In diesem Brief schrieb die alte Frau, nachdem sie ihrer Sorge um die Familie
Ausdruck gegeben hatte: „Ich habe aufregende Träume und bin in Angst um
Mi/i. Mir träumte heute Nacht, die Mi/i stünde bei einem Trumeaukasten und
schneidet aus einem Maiglöckchenkranz drei rote Rosen heraus. Was bedeutet
das?" -
Also was die 78 Jahre alte Großmutter in dem sie sehr beängstigenden Traum
gesehen hatte, trug sich genau in jener Minute zu, als ihr Brief bei der Tochter
ankam. Der Traum fand \ier Nächte früher statt, da der Brief zur Reise von
Proßnit/ ins Oberinntal drei Tage gebraucht hatte. -
In beiden Traumfällen erscheint mir bemerkenswert, daß von den Ereignissen
nicht das Wichtige - also einerseits die Gefahr der Töchter, andererseits
der Tod des Kindes - vorhergesehen wurde, sondern Nebenumstände, die
sich an diese Ereignisse schlössen: der nasse Rucksack und das Herausschneiden
der Rosen — ins Blickfeld der Träumenden gelangten.
Im ersten Fall vielleicht Telepathie durch die an die Mutter denkenden
Töchter - im /weiten Fall aber Vorhersehen der Zukunft.
Selbsterlebtes Alpdrücken.
Von Dr. W o 1 f g a n g Carius, Berlin.
Im Januar 1016 wurde ich mit einem garnisonkianken Patienten, Rall mit
Namen, in ein neues Zimmer gelegt. Wir hatte i schon einige Zeit vorher in einem
anderen Zimmer gelegen. So lagen wir jetzt in einem kleinen Raum (3 Betten)
im Eidge^ehoß des Garnisonlazaretts Ludwigsburg, wo ich \on Mitte Noxembei
Wb eine schwere Lvmplnergiftung infolge einer Kriegsverletzung durchgemacht
hatte. Wir waren beide in guter Stimmung, er mu ungefährlich erkrankt und so
\or dem Ausmarsch noch bewahrt, dabei lustig, ein richtiger Württembergei; ich
war auf dem besten Wege nach großer Lebensgefahr und Schwäche, mich zu
erholen. Beschäftigung und Ablenkung hatten wir beide genug. Unsre Stimmung
litt auch nicht, als wir erfuhren, daß unser neues Zimmer früher als Sterbeziinnicr
gedient hatte Tin hier geschehener Todesfall hatte sich dem Pflegepersonal staik
eingepiägt: Tetanus du jüngerer, nach den Erzählungen der Pflegerinnen
wuster und gewalttätiger Mensch, tückisch, der sich mit aller Energie gegen den
Tod gl wehrt hatte. Die Sterbestunde oder besser der Todeskampf kam bald nach
10 Uhr abends.
Um 01 hr wurde wie gewöhnlich das Licht im Zimmer gelöscht, und wir
schliefen ruhig ein. Ich erlebte dann, was mir im Felde und bis dahin nicht geschehen
war, einen schweren Alpdruck, ebeiso mein Nachbar, so daß wir beide
erwachten. Wir waren nicht sehr erschüttert, doch hielt uns eine starke Unruhe
wach. Die Atmosphäre hatte etwas lahmend Bedrückendes, so daß wir trotz des
Willens wach zu bleiben, mehr in einer Art Halbschlaf lagen, dabei hatte ich große
Abneigung, die Augen zu schließen. Gegen 11 Uhr \ erschwand die Beklemmung,
wir schliefen innig bis zum Morgen.
Arn nächsten Abend hielt ich mich wach, doch kam nach 10 Uhr die Spannung
und Lähmung wieder. Mein Nachbar war, ohne sich Gedanken, zu machen, einge-
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