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Zeitschrift für Parapsychologie. 12. Heft. (Dezember 1Q32.)
bekannt — dabei ist, auf Grund eines gewaltigen Materiales seine Teilveröffentlichung
zu einem umfassenden Werke auszubauen, das Qoethe als Kronzeugen
unserer Forschung erweist und seine erstaunlich tiefen Anschauungen über unser
üesamtgebiet verarbeitet. Es bleibt zu hoffen, daß dieses Werk, das eine empfindliche
Lücke in der parapsychologischen und germanistischen Literatur auszufüllen
bestimmt ist, bald erscheine. Schon der erste Anhieb dazu in Gestalt
der vorliegenden Schrift ist verheißungsvoll. Haslinger.
Hermann Nunberg: Allgemeine Neurosenlehre auf psychoanalytischer Grundlage.
(Verlag Hans Huber, Bern-Berlin. 1932)
Das soeben im Huber-Verlage erschienene Buch gibt im Rahmen einer
Psychopathologie der Neurosen eine erschöpfende Darstellung aller wichtigen
Grundprobleme der Freudschen Neurosenlehre. Der Versuch, dem psychoanalytischen
„Anfänger" eine wünschenswerte Ubersicht über das gesamte einschlägige
Wissensgebiet zu vermitteln und gleichzeitig allen psychoanalytisch interessierten
Ärzten und Pädagogen die Möglichkeit zu geben, «ich in bequemer Weise
über irgendwelche Einzelfragen im Gebiet der Psychoanalyse zu informieren,
kann im wesentlichen als geglückt bezeichnet werden. Verf. hat weitgehend der
Versuchung widerstanden, sich in theoretischen Einzelheiten zu \ erfangen, und
statt ihrer knapp gefaßte Krankengeschichten überall dort zu Worte kommen
lassen, wo sie dem Verständnis weiter entgegenkommen, als abstrakte, hypothetische
Formulierungen. In der Hauptsache beschränkt er sich darauf, die grundsätzlichen
psychoanalytischen Lehren, welche Freud in einem Menschenalter zusammengetragen
hat, in einheitlicher Form und ohne überflüssige Kommentare
zur Dai Stellung zu bringen. Nur in einigen wenigen Einzelfragen weicht er von
den Fieudschen Konzeptionen etwas ab, so in der Auffassung des Schuldgefühls
und der Anpassung an che Realität.
Eine detaillierte Inhaltsangabe des Buches ist an dieser Stelle natürlich nicht
möglich, da sie den Rahmen eines Referats sprengen würde. Noch weniger kann
eine sich mit den Einzelheiten der psychoanalytischen Probleme befassende
„Kritik" erwartet werden, da sich eine solche mit sämtlichen Grundprinzipien des
ps>choanalytischen Lehrgebäudes auseinandersetzen und somit zu einer neuen
Abhandlung auswachsen müßte. Diejenigen Leser dieser Zeitschrift, welche sich
über die Grundlage der Psychoanalyse orientieren wollen, müssen auf das Studium
des Originals verwiesen werden. Für diese dürfte der empfehlende Hinweis
genügen, daß Freud selbst in einem kurzen Vorwort das vorliegende Buch als
„die gewissenhafteste und vollständigste Darstellung einer psychoanalytischen
Theorie der neurotischen Vorgänge, welche wir derzeit besitzen" bezeichnet hat.
Für den nicht unmittelbar an der Psychoanalyse interessierten Leserkreis muß die
Feststellung ausreichen, daß Verf. die Neurose einerseits als Erscheinung des
Trieb- und unbewußten Seelenlebens, andererseits als Erlebnisform des Ich behandelt
und sich insbesondeie mit den Problemen der Angst, Abwehr- und Verdrängungsvorgänge
ausführlich auseinandersetzt. Die therapeutischen Richtlinien
un€ Zielsetzungen werden vom Verf. nur verhältnismäßig kurz gestreift.
Die Ausführungen des Verf.s halten sich im allgemeinen in den ihnen gezogenen
Grenzen und verdienen Beachtung auch bei denjenigen Psychiatern,
welche (wie es z. B. bei dem Ref. der Fall ist) der die neurotischen Symptome
im Gegensatz zu früher „aufdeckenden" psychoanalytischen Methodik zwar ohne
Einschränkung das hervorragende Verdienst d~r Vertiefung der Tiefenpsychologie
zuerkennen, die allzu weitgehende dogmatische Einseitigkeit der Fnudschen
Schule jedoch im Hinblick auf die übertriebene Loslösung des seelischen Geschehens
vom körperlichen Unterbau und die Vernachlässigung aller neueren
morphologischen Forschungsergebnisse auf dem Gebiete der Hormonalpathologie
sowie der Erb- und Konstitutionslehre bewußt ablehnen. Die Achillesferien der
rein psychoanalytisch aufgebauten Nturosenlehre zeigen sich mit besonderer Deutlichkeit
an denjenigen Stellen, an welchen auch die Sachlichkeit des Verf.s nicht
ohne gewisse Aggressionen gegenüber der „Schulpsychiafrie" auskommen zu
können glaubt. K a 11 m a n n (Herzberge).
Berichtigung. In dem Aufsatz von Dr. Gerda Walther: „Neuere Forschungen
auf dem Gebiet der Telepathie". Ted 1, November-Heft muß es auf Seite 489,
Zeile 12 und 1 von unten heißen: 27 m (30 Yaids) nicht 9,3 m.
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