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38 Zeitschrift für Parapsychologie. Heft 1. (Januar 1Q33.)
Das Phantom eines Bereuenden.
Die Mutter meiner Freundin, eine lebhafte, geistesfrische, eben 70 Jahie
alt gewordene Frau Sch., erzählte mir folgenden Fall, den ihr Vater als junger
Mann erlebt und wegen des tiefen Eindrucks, den er ihm gemacht hat, ort und
oft seinen Kindern ausführlich er/ählt hat. -
Herr S. (die Sache spielt im Jahr 1850) war damals ein junger Mann, Sohn
eines Weingartenbesitzers in Niederösterreich, und von seinem Vater beauftragt,
in Geschäften in die nahegelegene Landstadt zu fahren. Zu diesem Behuf hatte
er fünf /ig Gulden bei sich — zu dieser Zeit ein ganz hübsches Stück Geld. Dies
befand sich in einer Brieftasche in seinem Rock, den er hinter sich auf das offene
„Steircrwägelchen" gelegt hatte. Er fuhr rasch und lustig dahin; bei einer Wegwendung
umschauend, entdeckte er zu seinem Schrecken, daß der Rock vom
Wagen geglitten war und nur mehr halb dahing. Und leider fehlte auch die
Brieftasche und das Geld. Er fuhr ein Stück auf der langen und schnurgeraden
Landstraße zurück, vergebens, nichts war zu entdecken. Auch kam niemand des
Wegs. So hieß es denn umkehren und heimfahren. Der Vater zai.kte ihn tüchtig
aus, glaubte ihm nicht, daß er das Geld verloren habe und beschuldigte ihn, daß
er es verjuxt habe, was den jungen S. sehr krankte. Der Vater befahl ihm, das
Geld von seinem mütterlichen Erbteil, das bei einem Notar deponiert war, zu beheben
und es ihm so zu ersetzen. S. war über das Mißtrauen des Vaters noch
betrübter, als über den Verlust.
Mehrere Jahre waren vergangen, der junge S. hatte geheiratet und war nun
selber Vater eines kleinen Kindes. Einmal nachts war dieses Kind unruhig und
er stand auf, um es zu beruhigen. Während er so über das Bettcheni des Kindes
gebeugt dasteht, fühlt er auf einmal, wie jemand an ihn anstreift. In dem Glauben,
es sei seine Frau, wendet er sich um — und sieht knapp hinter sich die idunkle
Gestalt eines Dorfnachbarn, mit einem Zylinderhut auf dem Kopf, den dieser Mann
seit seiner Hochzeit beständig, auch bei der Feldarbeit und alltäglich, /u tragen
pflegte. Er fühlte die Gestalt knapp neben sich - sie ging durchs Zimmer, sah
ihn an und \ trschwand dann ...
Seine Frnu hatte nichts gemerkt, obwohl im Zimmer Licht brannte; sie verwunderte
sich sehr, als er ihr von der Et scheinung erzählte. Am Morgen erfuhren
sie, daß besagter Nachbar, der ziemlich entfernt von ihne'i in dem weitauseinander-
gestreuten Dort sein Haus hatte, und mit dem sie weiter nicht verkehrten, gestorben
sei, und zwar schon am Tage vor der Erscheinung. Am selben Tage noch
wurde Herr S. zum Pfarrer des Ortes gerufen. Dieser sagte ihm, ein Sterbender
habe gebeichtet, daß er einst das aus dem Rock gefallene Geld des jungen S. auf
der Straße gefunden und behalten habe, weil er in arger Geldverlegenheit gewesen
sei. Er habe nun den Ptarrer beauftragt, Herrn S. fünfzig Gulden zu übergeben
— den Betrag der verlorenen Geldsumme.
Herr S. war sehr erschüttert — und obwohl der Pfarrei natürlich den Namen
de* betreffenden Toten nicht genannt hatte, so konnte er sich doch durch die
gehabte Erscheinung zusammenreimen, wer der Reuige gewesen wa», der sein
Vergehen wieder hatte gutmachen wollen. Und nun gestand er seiner Frau auch,
er sei damals, als er das Geld verlor, beim Heimfahren diesem Nachbarn begegnet
— und habe für einen kurzen Moment Verdacht gegen ihn geschöpft
ihn aber nicht ausgesprochen, um ja der Ehre eines Mitmenschen nicht nahezutreten
...
Sein ganzes Leben lang hat Herr S. noch oft an dies Ereignis gedacht, obw ohl
er ts sich natürlich nie hat erklären können. Hedda Wagner, Linz.
Zur Verteidigung,
Von Prof. Dr. K. R. K u p f f e r , Riga.
Auf Seite 274—276 der „Zeitschrift für Parapsychologie" vom Juni 1932
(7. bzw. 59. Jahrg., Heft 6) ist eine vom verstorbenen Dr. A. Frh. v. S c h rcnclk«
Notzing in München verfaßte Besprechung eines Aufsatzes abgedruckt, den
ich in den Jahren 1924 und 1925 als Anhang zu zwei Auflagen des Buchleins
„Der Spiritismus" von Dr. Albert Moll unter der Überschrift „Zur Kiitik
einiger angeblich teleplastischen und telekinetischen Erscheinungen" veröffentlicht
habe, um nachzuweisen, daß die diesbezüglichen Arbeiten des Frh. v.
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