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von Reuter: Die Entwicklung der spiritistischen Bewegung in England. 377
nuten dauern und die von solch großer Schönheit und geistreichem Inhalt sind>
daß sie das ganze Publikum bis zum letzten Wort fesseln.
Mr. Cowan wurde durch diese Trancereden zum Spiritismus bekehrt und
kündigte spiritistische Gottesdienste für jeden Sonntagabend in seinem Theater
an. Diese Gottesdienste erfreuen sich eines unglaublichen Andranges. Es gibt
Leute, die über die Predigten der Mrs. Morris oder des Geistes Power, je nachdem
wie man das Problem auffaßt, derartig begeistert sind, daß sie für jeden Sonntag
Monate im voraus bereits abonniert sind. Mr. Cowan machte mit Mrs. Morris, die
übrigens eine durchaus ehrbare Frau ist, und mit ihrem Mann in gutem Einvernehmen
lebt (ich erwähne dies nur, falls jemand Mißtrauen gegen ihr Verhältnis
zu ihrem Propagandisten hegen sollte), eine Tournee über ganz England. In jeder
Stadt, wo die Demonstration angekündigt wurde, war der größte Saal in wenigen
Stunden vollständig ausverkauft. Mit dem Reinertrag dieser Tournee hat Mr. Cowan
einen Fonds für spiritistische Propaganda gegründet.
Dennis Doyle, der Sohn des heimgegangenen Sir Arthur Conan Doyle, hat sich
auch entschlossen, den Bahnen seines großen Vaters zu folgen und als Redner
für den Spiritismus aufzutreten. Da er im Besitz der bedeutenden Lichtbildersammlung
seines Vaters ist, kann er durch seine Vorträge, trotz seiner Jugend, der
spiritistischen Bewegung wertvolle Dienste leisten, um so mehr, als er einen Teil
der energischen Persönlichkeit seines Vaters geerbt hat. Er greift gern die feindlichen
Geistlichen an und sein Name ist öfter in Zeitungsdebatten mit ihnen zu
lesen.
Einer der letzten meistbesprochenen Apostel des Spiritismus ist Arthur Findlay,
der wohlhabende Glasgower Kaufmann, der den Ruhm genießt, das erfolgreichste
spiritistische Buch des Jahres 1932 herausgebracht zu haben. Der Erfolg dieses
Buches beim Publikum ist mit dem seinerzeitigen deutschen Erfolg des Ohlhaver-
schen Buches „Die Toten leb^n" zu vergleichen. In wenigen Monaten waren acht
Ausgaben des Buches vergriffen. Mr. Findlay wurde sofort als Vortragender
stark in Anspruch genommen. Da er ein sehr reicher Kaufmann ist, stellt er sich
nun gratis in die Dienste des Spiritismus und hat auf eine Tantieme verzichtet. Auf
diese Weise war es dem Verleger möglich, eine gewaltige Propaganda für das
Buch fortzusetzen. Es werden andauernd neue Ausgaben verlangt. Das Buch ist
ein Bericht über die Experimente Findlays mit dem Medium für direkte Stimme in
Glasgow, Mr. Sloane, und enthalt allerlei interessante technische Angaben über
die Art und Weise der Bildung der Stimme bzw. das Zustandekommen des
Phänomens.
Wir dürfen auch den Chefredakteur der Zeitschrift „Psychic Science", die
vierteljährlich von dem British College of Psychic Science herausgegeben wird,
Mr. Stanley de Brath, nicht vergessen. De Brath ist ein Gelehrter ersten Ranges,
der sich durch seine Übersetzungen der psychischen Bücher- Richets und Bozzanos
aus Gern Französischen und Italienischen großes Verdienst erworben hat. Er hat
kürzlich die Übersetzung des letzten Werkes Bozzanos „Animismus und Spiritismus
" herausgegeben. Seine Geleitworte zu den Zeitschriften sind stets sehr geistreich
, vor allem aber tief und sinnig. Diese Quartalzeitschrift ist inhaltlich mit der
Zeitschrift für Parapsychologie zu vergleichen.
Ein neuer Apostel des Spiritismus ist Lord Cottenham, ein junger englischer
Adliger, der vor nicht langer Zeit selbst mediumistische Fähigkeiten entwickelte
und eingehende Berichte darüber in zahlreichen englischen Zeitungen veröffentlicht
hat.
Wir kommen nun zu der Stellung der englischen Geistlichkeit gegenüber dem
Spiritismus. Hier wird ein erbitterter Krieg geführt. Die Geistlichkeit teilt skh
nämlich in zwei ausgesprochene Parteien. Sie ist entweder spiritistisch oder antispiritistisch
. Neutrale gibt es kaum. Die Gegner sind zwar noch in der Mehrzahl,
doch ist die Zahl der Anhänger stark im Wachsen begriffen. Die zwei letzten
bedeutenden Geistlichen, welche die Grundsätze des Spiritismus angenommen
haben, sind Dr. Norman Maclean, einer der bedeutendsten schottischen Geistlichen,
und der Bischof von Norfolk. Dr. Maclean hat den Mut gehabt, das Präsidium
über spiritistische Vorträge in Edinburgh zu übernehmen. Der Bischof von Norfolk
hat seine spiritistische Überzeugung geäußert anläßlich der großen Debatte,
welche über Spiritismus in den Spalten des Daily Mail kürzlich geführt wurde.
Das Hervortreten dieser beiden bedeutenden Geistlichen zugunsten des Spiritismus
hat in England riefen Eindruck gemacht. Zwei der ältesten bedeutendsten
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