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Kleine Mitteilungen.

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Spiritismus seine Tüchtigkeit und seine organisatorischen Fähigkeiten, die es zum
Weltherrscher gemacht haben, wieder bewiesen hat. Innerhalb der letzten
10 Jahre ist der Spiritismus in England eine Wissenschaft und eine Religion geworden
, deren Macht überall erkannt wird und mit der man rechnen muß. Man
hat sogar darüber gesprochen, eine spiritistische Parlamentspartei zu gründen.
Beim Parlament überlegt man jetzt ernstlich, die gesetzlichen Einschränkungen
bezüglich Ausübung des Mediumismus aufzuheben, indem man die Kontrolle des
Mediumismus den Sachverständigen des Spiritismus überlassen will im Vertrauen
darauf, daß auch die Spiritisten den Humbug und die Charlatanerie im Mediumismus
beseitigen wollen, und daß sie dazu besser befugt sind als die Poli/ei, die
in den meisten Fällen von Verhaftungen nur Fehlgriffe zu verzeichnen hat. Wenn
die Entwicklung des Spiritismus in den nächsten 10 Jahren in demselben Maße
weitergeht so wird man ernstlich mit einem gänzlich auf Spiritismus eingestellten
Land, sogar einem spiritistischen Staat rechnen müssen.

Die Kirche wird zweifellos gezwungen sein, den Spiritismus als Verbündeten,
statt als Gegner, anzuerkennen, und wir weiden höchstwahrscheinlich eine allgemeine
Umwandlung aller Gottesdienste erleben. Der Spiritismus ist im Anmarsch
und läßt sich nicht mehr aufhalten!

Spuren okkulter Vorgänge im oberöstereichischen Volksglauben-

Weit verbreitet ist in Oberösterreich der Glaube an das sogenannte „Um«
gehen", mit welchem Worte der Volksmund jegliche Art Spuk, von telekineti-
schen Erscheinungen angefangen bis zu allerlei Arten von Phantomen, bezeichnet.
Das Umgehen wird als Folge irgendeines Wunsches oder nicht abreagierten
Affektes betrachtet, dar die „arme Seele" belastet. Hier ein paar Beispiele.

Ein Klostergeistlicher ging einst nachts im Gang vor den Zellen, da sah er
in einem Winkel eine Gestalt hocken, die ihm nicht wie ein lebender Mensch
vorkam. Er fragte sie, was sie wolle, und die Gestalt sagte, sie müsse schon seit
20 Jahren hier im Gange „umgehen", weil einer seiner Mitbrüder jene Messe
nicht gelesen habe, die er für das Heil dieser Seele zu lesen verpflichtet gewesen
wäre. Der Geistliche teilte nun seinem Mitbruder diesen Fall mit; dieser
entsann sich des Versäumnisses, machte es gut - - und seitdem zeigte sich
nie mehr diese Gestalt.

Besonders oft „umgehen" müssen jene Leute, die das „March", d. h. die
Grenzsteine zwischen den Gründen der Bauern, verrückt haben, wodurch sie sich
fremden Boden aneigneten. Aber auch unabsichtliche Grenzveränderungen werden
so gestraft. Sie müssen so lange umgehen, bis die Grenzverrückung wieder berichtigt
ist. Man erkennt sie an einem Korb Erde oder einem Ranzen (?) voll
Wasser, den sie auf der Schulter oder dem Kopfe tragen. Auch wer irgendwo
Geld vergraben oder sonstwie versteckt hat, findet keine Ruhe, bis das, was er
zu Lebzeiten versteckt hat, ohne es vor seinem Tode geoffenbart zu haben, entdeckt
wird. Natürlich meint man auch, daß Doppel- oder Selbstmörder sowie
ohne Reue Hingerichtete umgehen müssen, und der Volksmund weiß zahllose
Fälle als Belege hierfür zu erzählen. Merkwürdig ist, daß man auch glaubt, wenn
jemand vor der Zeit stirbt, die er im natürlichen Ablauf der Dinge erreicht haben
würde, also z. B. ermordet wird, oder ertrinkt oder sonstwie gewaltsam umkommt,
er dann so lange umgehen müsse, bis seine vorbestimmte Zeitspanne um ist.

Die Gestalt, in der Grenzverrücker, Hingerichtete oder Selbst- und Doppelmörder
sich zeigen, ist sehr oft die einer Feuerkugel. Als Lichterscheinungen,,
die sogenannten „Liachtln" oder „Fuchtlmänner" zeigen sich auch die Seelen
der Schuldbeladenen; oft dienen sie auch nächtlich Verirrten als Wegweiser, und
kommen auch oft nachts an das Bett eines Menschen, ruhig wartend, bis man
sie anspricht. Besonders häufig merkt man diese Lichterscheinungen an jenen
Orten, wo das „Totenstroh", auf welchem der Tote in seinem Bett gelegen ist,
hingeworfen wird. —

Alle diese allgemein am Land verbreiteten Anschauungen zeigen, wie das Volk
von jeher okkulte Phänomene zu beobachten wußte, und sie sich in seiner Art
erklärt hat. Es zeigt zugleich, daß diese Vorkommnisse nicht gar so selten zu sein
pflegen — weil seit jeher und überall sich das Denken der Menschen mit ihnen

Kleine Mitteilung.

Hedda Wagner, Linz.


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