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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1958-01/0092
88 C. G. JUNG

wäre. Das ist aber genau das, das ich mit « Synchronizität» meine und eben
gerade mit dem Bericht über mein astrologisches «Experiment» dartun
wollte. Natürlich hatte ich dasselbe nicht unternommen zum Zweck oder
in der Vorahnung dieses unerwarteten Resultates, das niemand voraussehen
konnte, sondern ich war nur neugierig zu erfahren, was für Zahlen
bei einer derartigen Untersuchung herauskommen würden. Dieser
Wunsch erschien nicht nur gewissen Astrologen verdächtig, sondern auch
meinem liebenswürdigen mathematischen Berater, der es für angebracht
hielt, mich vor dem Gedanken zu warnen, daß mit meinen Maximalzahlen
die astrologische These bewiesen sei. Es war weder vorher noch nachher
je die Rede von einem derartigen Beweis, und zudem wäre meine Experimentanordnung
für einen solchen Zweck sehr ungeeignet, wie meine
astrologischen Kritiker bereits festgestellt haben.

Da die meisten Leute der Ansicht sind, daß man die Zahlen an sich erfunden
oder ausgedacht habe und sie daher nichts anderes als Begriffe von
Quantitäten seien, in denen nichts drinstecke, das nicht vorher durch den
menschlichen Verstand hineingetragen wurde, so hielt es natürlich schwer,
im voraus eine andere Fragestellung zu verkünden. Es besteht nämlich auch
die Möglichkeit, daß die Zahlen gefunden oder entdeckt wurden. In diesem
Falle sind sie aber nicht nur Begriffe, sondern etwas mehr, nämlich autonome
Wesenheiten, welche in irgendeiner Art mehr enthalten als bloße
Quantitäten. Im Gegensatz zu bloßen Begriffen sind sie nicht auf einer
psychischen Voraussetzung begründet, sondern auf einem Ansichsein,
das durch den intellektuellen Begriff nicht ausgedrückt ist. Unter diesen
Umständen können ihnen unbekannte Eigenschaften zukommen, die
noch zu entdecken wären. Auch könnte bei ihnen, wie bei allen autonomen
Wesenheiten, die Frage nach ihrem Benehmen aufgeworfen werden,
also z. B. was die Zahlen tun, wenn sie eine so archetypische Angelegenheit
wie die Astrologie ausdrücken sollen. Ist doch die Astrologie der
letzte, auf die Astronomie bezogene Rest jener schicksalsbestimmenden
und -verkündenden Götterversammlung, deren Numen sich sogar gegen
die Kritik eines naturwissenschaftlichen Zeitalters behauptet hat. Noch zu
keiner früheren, auch noch so «abergläubischen» Zeit nämlich war die
Astrologie so allgemein verbreitet und anerkannt wie heutzutage.

Ich muß bekennen, daß ich der Ansicht huldige, die Zahlen seien ebenso
sehr erfunden wie erfunden worden, und in Anbetracht dieses Umstandes
besäßen sie eine gewisse Autonomie, die sich mit derjenigen der Arche-


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