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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1959-02/0072
DIE SOZIALE FUNKTION DES ABERGLAUBENS (H.BENDER) 69

Down to Earth. The Los Angeles Times Astrology Column* - eine
Analyse der Vulgärastrologie, die als manipulierter Aberglaube «aus
zweiter Hand» gekennzeichnet wird. Als Gesprächsteilnehmer waren
geladen die Psychiater und Psychotherapeuten Bash (Wil-Schweiz),
Hochheimer (Berlin), Kühnel (Tiefenbrunn), die Theologen Frei (Luzern)
und Köberle (Tübingen), der Sozialwissenschaftler und Statistiker Gun-
zert (Frankfurt), der Kulturanthropologe Schraml (Mannheim) und der
Referent.

Die scharfsinnige und überaus lebendige Einleitung von Adorno
begrenzte das Thema. Es war nicht vom magischen Weltgefühl der
Astrologie und ihrem Wahrheitsanspruch die Rede, sondern von der
sozialpsychologischen Erscheinung einer kommerzialisierten Vulgärastrologie
, die Bedürfnissen der gegenwärtigen Gesellschaft entgegenkommt
. Die nüchternen, trivialen, praktischen Ratschläge der astrologischen
Zeitungsspalten unterscheiden sich von der popularisierten und
auf Massenzwecke ausgerichteten Psychologie der «Briefkästen» etc.
durch den Bezug auf die übermenschliche Autorität der Gestirne, als
deren Interpret der astrologische Ratgeber auftritt. Diese Autorität wird
hingenommen, ohne ursprüngliche Erfahrungen in diesem Bereich und
ohne Diskussion. Diese «manipulierte Irrationalität» dient einerseits dem
Profitmotiv, dem Umsatz der Zeitungen, andererseits liegt in ihr eine
objektive, sich auf komplizierten Wegen durchsetzende gesellschaftliche
Funktion: durch die Mittel der Ersatzbefriedigung und der Steuerung
des Bewußtseins hält sie die Menschen <bei der Stange>, behandelt sie
gewissermaßen als potentielle Psychotiker und dirigiert sie zu einem
konformistischen Leitbild. Mit Virtuosität wird von dem astrologischen
Ratgeber der Los Angeles Times die Technik der Pseudoindividuali-
sierung verwendet, der Aussagen, von denen sich jeder persönlich angesprochen
fühlen kann. Es wird an typische Situationen, Wünsche, Bedürfnisse
und Konflikte angeknüpft, das Glücksverlangen freigiebig befriedigt
, aber vor allem auch die Angst ausgebeutet. Diese wird zunächst
mild verstärkt und dann mit den autoritativen Ratschlägen des allwissenden
Vaters wieder beruhigt. Vorausgesetzt wird eine durchgängige
Passivität der Angesprochenen, die ihrer tatsächlichen Abhängigkeit in
der sozialen Wirtschaft und ihrem Autoritätsbedürfnis (eine Folge ihrer

* Vgl. das Referat von G. Sannwald in Nr. 2/3, 1957/58 dieser Zeitschrift.


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