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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1959-02/0205
BUCHBESPRECHUNGEN

Dr. med. KarlWickland: 30 Jahre unter den Toten. Übersetzt und herausgegeben
von Dr. med. Wilh. Beyer, Otto Reichl-Verlag, Remagen
1957, 476 Seiten, DM 17.50.

Vor einigen Jahren schrieb H. Bender: «Man hat allen Anlaß, die seelische
Gefährdung durch den Okkultismus mit Besorgnis zu verfolgen.» W.'s Schrift
in deutscher Sprache ist nun ohne Zweifel ein akutes Symptom dieser Gefährdung
. Es handelt sich dabei nicht um eine Neuerscheinung, sondern um die
Übersetzung eines Buches, daß vor 3V2 Jahrzehnten in der amerikanischen
Nachkriegsatmosphäre der 20 er Jahre erschienen war, also zu einer Zeit, in der
der Spiritismus in Amerika als sektenartige «religiöse» Gemeinschaft weite
Kreise der Bevölkerung zu erobern begann. In Deutschland hätte wohl damals
eine Übersetzung wenig Beachtung gefunden, das Interesse lag bei den Gebildeten
- etwa im Streit um die mediumistische Forschung - auf einer ganz
anderen Ebene. Ungefähr im Erscheinungsjahr der Erstausgabe konnte Thomas
Mann aus deutscher Sicht den Sektenspiritismus im Gegensatz zur Forscherarbeit
Schrenck-Notzings in seinem Essay über okkulte Erlebnisse mit
einer leichten Handbewegung als Gesindenstubenmetaphysik abtun. Was verspricht
sich aber heute ein namhafter Verlag, der sich offenbar an gebildete
Leser wendet, von einer deutschen Ausgabe? Hier wird dieses Buch, das ein
Muster primitiv-spiritistischen Denkens ist, als psychohygienisches Problem
für die Parapsychologie interessant.

In der Schrift W.'s vereinigen sich spiritistischer Jenseitsglaube mit einer
Praxis geistigen Heilens, die davon ausgeht, daß Geisteskrankheiten durch Geister
Verstorbener verursacht werden. Geisteskrankheit ist Besessenheit. Die
Heilung erfolgt durch eine psychotherapeutische Belehrung der Toten, die zu
diesem Zweck zuvor in ein Medium gelockt werden. Dort macht man dem
Geist des Verstorbenen klar, «daß er ja ein viel besseres Leben haben könne»
und schließlich «nehmen die höherentwickelten Geister ihn mit und sorgen weiter
für ihn», während der Geisteskranke gesund wird. Eine klare Umreißung
des Begriffes «geisteskrank» darf man freilich auf diesem Niveau nicht erwarten
; jede Form psychischer Abwegigkeit wird durch Besessenheit erklärt. Die
Fronthysterie z. B. wird durch die Geister gefallener Soldaten verursacht; die
Totengeister haben aber recht menschliche Züge behalten, sie sind noch sehr
schmerzempfindlich, z. B. für Zahnweh des Besessenen, Hammerschläge auf
den Kopf oder Elektrisiertwerden. Zwei Rivalen, die sich in rasender Eifersucht
gegenseitig umgebracht hatten, hören nach dem Tode keineswegs auf,
miteinander zu raufen, ohne zu merken, daß sie eigentlich tot sind. Was hier
guten Glaubens ausgebreitet wird, ist ein interessantes Material zur Psychopathologie
der artifiziellen Besessenheit und zugleich ein Dokument der kritiklosen
Hinnahme spiritistischer Offenbarungen.

Hans Sexauer', Stuttgart


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