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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1960-03/0201
ERNST JÜNGER UND DIE ASTROLOGIE

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«- Das Wiederaufleben der Astrologie, das uns jetzt, beim Eintritt in ein
neues, ungewisses Jahr, wieder durch eine Hochflut überrascht, ist weniger
ein Zeichen der Unsicherheit als der Unzufriedenheit, und zwar einer Unzufriedenheit
, die mehr empfunden als begriffen wird. Daher wird es auch gern als
Krankheit aufgefaßt. Ist aber ein Fieber, eine Krankheit oder ein Krankheitsmerkmal
ein Merkmal dafür, daß der Körper ein verloren gegangenes Gleichgewicht
wiederherstellen will?

Das Eindringen der Astrologie, das zur Hauptströmung der Zeit in so erstaunlichem
Widerspruch steht, ist ein revolutionäres Vorzeichen. Die Astrologie
hat nicht nur eine unwissenschaftliche Struktur, sondern auch eine gegen
das Nivellement gerichtete Tendenz, insofern sie auf der schicksalsmäßigen
Eigenart, auf der angeborenen Ungleichheit der Menschen besteht. Damit mißachtet
sie die beiden Kardinalpunkte der heutigen Welt. Es ist vorauszusehen,
daß sich das Ärgernis, das sie erregt, in Zukunft verstärken wird.

Daß es sich um eine revolutionäre Tatsache handelt, läßt sich schon daraus
schließen, daß sie «von unten» kommt. Sie unterscheidet sich dadurch von
ähnlichen Bewegungen, die entweder in kleinen Zirkeln gehütet werden und
Sekten bilden oder, falls sie wie die Physiognomik volkstümlich werden, auf
bedeutende Geister zurückgehen. Die Astrologie «spricht sich herum», und
zwar auf spielerische Art. In diesem Sinne könnte man sie als Mode auffassen.
Aber Moden sind nur Verhüllungen.»

«- Das innere Gefüge der Astrologie läßt sich ebenso wenig nachmessen
wie ein Bild oder ein Gedicht. Es läßt sich weder beweisen, noch statistisch
nachprüfen. Infolgedessen kann die astrologische Betrachtung heute nicht als
«wahr» gelten. Eine andere Frage ist, ob sie einmal «wahr werden» wird. Das
würde eine Veränderung der inneren Optik voraussetzen, deren Bilder heute
vom Pol des Wissens aus geprägt werden.»

«- Der drohenden Verflachung gegenüber bewahrt der Astrologe einen
sicheren Blick für die angeborene Würde des Menschen, ohne sich auf abstrakte
Formeln von Gleichheit und Freiheit einzulassen; das So-Sein bildet
die Voraussetzung dafür. Er meint, daß mit dem Einzelnen, und zwar mit
jedem Einzelnen, nicht nur ein neues Bild der Spezies, sondern auch eine neue
Welt geboren wird. Damit räumt er ihm einen höheren Rang ein, als abstraktes
Denken und abstrakte Zuteilung ihm gewähren kann.»

»- Andererseits ist das Anwachsen astrologischer Neigungen ein Anzeichen
dafür, daß der Mensch der Uniformierung müde zu werden beginnt, die ihn
vielleicht vor kurzem noch begeisterte. Dabei ist, wie gesagt, zu unterscheiden
zwischen Anzeichen und Effekt. Der Wert des Anzeichens ist unabhängig vom
Effekt. Seine Bedeutung liegt darin, daß hier, zunächst verhüllt und zweideutig
, sich eine Gegenmacht des Leviathans zu regen beginnt, die aus ganz anderen
Tiefen als der liberale Individualismus stammt. Es handelt sich um Zeichen
, die mehr als einen Stilbruch anzeigen. Ein Klimawechsel kündet sich in
ihnen an.»


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