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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1963-06/0115
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JOHN MISCHO

wie eine Verletzung der herzlich gebotenen Gastfreundschaft erschienen12
.» Da Martha Bernays kurze Zeit später nach Hamburg zu ihrer
Familie zurückkehren sollte, war Freud bestrebt, die Möglichkeit zum
Kontakt in Wien auszunützen. Dabei verfiel er auf eine Idee, die seit Generationen
allen findigen Liebhabern unerkannt die Durchbrechung pädagogischer
Aufsichtsmaßnahmen gewährte: «Wenn die Schrift eines
Mannes im Hause Ihres Onkels auffällig erscheinen sollte, könnte
Martha eine Anzahl von Couverts mit ihrer eigenen zarten Hand beschreiben
, ich fülle dann die köstliche Schale mit armseligem Inhalt. Ich
kann Marthas Antwort nicht mehr entbehren, was uns gestern fremdartig
erschien, ist heute ein schmerzlich entbehrter Lebensbedarf13.» Die in
der dritten Person angeredete Martha versagte sich nicht, und am 17. Juni
1882, jenem zeidebens unvergessenen Samstag, waren sie sich einig und
betrachteten sich als verlobt. Von all dem wußten die Familienangehörigen
nichts, und als Freud später gefragt wurde, ob er Martha schreibe,
bestritt er es: «Ich log wie ein in Lügen ergrauter Staatsmann14.» Freud,
stolz über diese Unabhängigkeit in Herzensdingen, schrieb später an
seine Braut, sie würden «künftigen Generationen von Liebesleuten als
Muster vorgeführt», und dies «nur, weil wir den Mut gehabt haben, einander
lieb zu gewinnen, ohne nach Erlaubnis zu fragen16.»

Da Freud während der mehr als vierjährigen Verlobungszeit volle drei
Jahre von seiner Braut getrennt war, gab es eine umfangreiche Korrespondenz
. Die beiden Verlobten hatten die Gewohnheit, sich täglich zu
schreiben; ein vierseitiger Brief galt als kurz, zwölf engbeschriebene Seiten
waren keine Seltenheit. War bei der täglichen Post einmal kein Brief
der Verlobten, dann neckten Freuds Freunde ihn und fragten, ob er
wirklich verlobt sei.

12 Brief Freuds an M. Bernays vom 15. 6. 1882, vgl. auch die Photokopie bei
E. Jones, Bd. I, S. 133.

13 E. Jones, Bd. I, S. 134.

14 Freuds Brief an M. Bernays vom 22. 6. 1882, vgl. E. Jones, Bd. I, S. 137.
Um das Geheimnis der stillen Verlobung zu wahren, adressierte Fritz Wahle,

selbst mit einer Cousine M. Bernays verlobt, eine Anzahl Briefumschläge für
Freud. Nur der Buchstabe M in der rechten, oberen Ecke der Rückseite verriet
, wer der wirkliche Absender war. Marthas Briefe an Freud erreichten ihn
nicht zu Hause, sondern auf dem Umweg über den Laboratoriumsassistenten
in Prof. Brückes Institut.

15 Freuds Brief an M. Bernays vom 6. 1. 1886, E. Jones, Bd. I, S. 166.


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