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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1963-06/0118
DER ANDERE FREUD

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ist dies ein sehr seltenes Beispiel für einen Fall, bei dem der Tagtraum
eines Jünglings sich in allen Einzelheiten verwirklichte28.»

Warum erschütterte diese Begebenheit Freud an seinem funfeigsten
Geburtstag so sehr, daß seine Freunde glaubten, er sei dem Unheimlichen
begegnet?

Da ist der Wunschtraum eines Studenten der Medizin, ein ganz bestimmter
Wunschtraum, signiert mit einem, für ihn schicksalbestimmenden
Vers aus dem «König Ödipus». Derselbe Vers wird zu einem Entwurf
auf die Zukunft hin. Sein Lebensweg führte ihn zu demselben
Rätsel, das die Sphinx einst Ödipus aufgegeben hatte: was das sei, das
zuerst auf vier, denn auf zwei und zuletzt auf drei Beinen gehe. Wie Ödipus
mußte auch er das menschliche Los des Werdens und Vergehens,
seine Endlichkeit und fatale Zeitlichkeit, ausgespannt zwischen Geburt
und Tod verstanden und die dadurch entstehende Begrenzung in das
«Realitätsprinzip» aufgenommen haben, bevor er das unausgesprochene
zweite Rätsel nach dem Wesen der Würgerin Sphinx in den Phantasien
der Neurotiker lösen konnte. Denn diese waren ja zum Opfer gefallen,
weil sie das erste Rätsel und mit ihm die Tragik ihrer eigenen, selbst zu
verantwortenden Zeitlichkeit nicht lösen konnten. Sie waren aus der
Realität in die infantile Phantasie geflohen, und hier bestand das «Kernstück
der Neurosen» - wie Freud sie sah - in dem Wunsch, die ödipale
Situation wiederherzustellen. Es war der vergebliche Versuch, die
Grenzen der eigenen Endlichkeit mit Hilfe des «Lustprinzips» ebenso zu
übersteigen wie die ägyptischen Könige durch Inzest mit Mutter oder
Schwester eine mythische Unsterblichkeit erlangt hatten. Träume und
Phantasien der Neurotiker sprachen vom Bild der Frau, das dieselbe
Doppeldeutigkeit besaß wie die Figur der Sphinx: der Wunsch nach einer,
die Endlichkeit transzendierenden, mütterlichen Umarmung. Diese aber
bedeutete zugleich auch Verfallenheit und unentrinnbare Verhaftung,
den neurotischen Teufelskreis.

Freud war der erste, der auf die Bedeutung des Inzestwunsches und die
damit verknüpften infantilen Strebungen im Unbewußten aufmerksam
gemacht hat. Er war es, der den entwicklungsgeschichtlichen Ort in der
Biographie des Einzelnen entdeckte. Und gerade zu diesem Zeitpunkt,
als die Lösung des Rätsels der Sphinx geglückt und die Entsprechung

ME. Jones, Bd. II, S. 28.


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