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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1965-08/0005
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GERHARD SANNWALD

schiedene Weise zu seinem Stoff gekommen sein. Die Gewährsleute der
ersten Märchensammler im vorigen Jahrhundert stützten sich fast ausschließlich
auf mündliche Überlieferung: sie gaben weiter, was sie selbst
einmal «gehört» hatten. In bäuerlichen Gesellschaften alten Stils, soweit
sie überhaupt noch vorhanden sind, mag diese rein mündliche Überlieferungsweise
auch heute noch eine Rolle spielen. Jedoch läßt sich bei
dem Erzählgut, das uns in den modernen Märchensammlungen entge-
gentritt1, kaum trennen, was auf mündliche Uberlieferung zurückgeht und
was aus gedruckten Quellen ins Volk zurückgeflossen ist.

Wie dem auch sei - der Erzähler gibt einen in seinen Grundzügen festliegenden
Stoff wieder, den er jedoch individuell abwandelt. Daß hinter
diesen individuellen Ausformungen der reine Typus eines bestimmten
Märchens aber meistens sichtbar bleibt, ermöglicht es überhaupt erst,
Klassifizierungen vorzunehmen oder das «Urmärchen», das reine Handlungsgerüst
mit seiner fast gesetzmäßigen Folge von Motiven, zu erschließen
. Die Ausformung aber, die Art und Weise, wie sich ein Märchentypus
in der Wiedergabe eines individuellen Menschen darstellt,
hängt wiederum ab von all den Einflüssen, denen dieser Mensch unterworfen
ist: seiner Volkszugehörigkeit, seiner Kultur, seinem Lebensstil
und -Standard und schließlich von den bewußten und unbewußten Erfahrungen
seines eigenen Lebens, seinen dadurch gebildeten Anschauungen
und Vorstellungen und von seiner Art und Weise, sein Leben zu bewältigen
und sich mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen.

Während also der Typus eine ganz bestimmte und festliegende Handlungsabfolge
verlangt, um in seiner je spezifischen Eigenart erkannt zu
werden, während er also gewissermaßen die «Substanz» des Märchens ausmacht
, spielen die individuellen Ausformungen eine mehr akzidentielle
Rolle. Sie sind also nicht unbedingt «notwendig», um die Handlung erklärlich
oder verständlich zu machen, jedoch sind sie das, was das Märchen
überhaupt erst zum Märchen macht. Sie erzeugen die spezifische
«Märchenstimmung», sie geben dem Märchen Reichtum und Farbe,
machen es im eigentlichen Sinne «menschlich». Und nicht zuletzt sind sie,
die individuellen Ausformungen, die Ursache dafür, daß man berechtigterweise
von einem «deutschen», einem «russischen», einem «italienischen
» usw. Märchen sprechen kann.

Theoretisch könnten nun parapsychologische Phänomene sowohl im
«Typus» als auch in den individuellen Ausformungen auftreten. Im


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