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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1965-08/0013
IO

GERHARD SANNWALD

des Königs heiraten werde. Es muß also bei der Konzeption des Märchens
der Glaube bestanden haben, daß schon bei der Geburt des Kindes
sein späteres Sckicksal bestimmt und daß dieses Schicksal unabwendbar
und unbeeinflußbar sei.

Nun, es bedarf keiner langen Erörterungen, um darzutun, daß es solche
Uberzeugungen nicht nur gegeben hat, sondern daß sie auch heute noch
weit verbreitet sind. Denn genau dieses behauptet im Grunde auch die
Astrologie. Auch davon berichtet ein Märchen, das allerdings sehr vereinzelt
steht und offenbar keine weitere Verbreitung gefunden hat. Es
stammt aus Irland:16

Als Diarmuids Vater, der ein guter Mensch gewesen war, begraben wurde,
regnete es; als aber seine Mutter, die nichts taugte, zu Grabe getragen wurde,
war ein schöner Tag. Dies beunruhigte Diarmuid, und er wollte gerne die
Ursache erfahren. So machte er sich auf, nicht ohne von zwei Schmieden in
seinem Dorf beauftragt worden zu sein, herauszufinden, warum der eine reich,
der andere arm, bzw. warum das Dach des einen trotz aller Ausbesserungsarbeiten
undicht sei. (Durch diesen Zug berührt sich das irische Märchen mit dem
Typus vom Teufel mit den drei goldenen Haaren; auch dort nämlich wird dem
Helden auf dem Weg zur Hölle aufgetragen, den Teufel nach den Ursachen
verschiedener unerklärlicher Sachverhalte zu fragen).

Diarmuid wandert fort und kommt abends in ein Haus, in dem nur ein
Mädchen ist. Sie beherbergt ihn für die Nacht. Während er tut, als schliefe er,
sieht er das Mädchen unentwegt durchs Haus gehen. Plötzlich legt sie sich in das
Kohlenfeuer und bedeckt sich mit den brennenden Kohlen. So bleibt sie eine
ganze Weile liegen, und Diarmuid kann sich vor Entsetzen nicht rühren. Dann
aber erhebt sich das Mädchen und springt in ein Gefäß mit Wasser, indem sie
völlig untertaucht. Dort verharrt sie wieder eine Weile, steigt dann heraus, ergreift
einen Strick und erhängt sich am Kreuzbalken. Nach einer Weile reißt
sie sich den Strick vom Hals, läuft wieder munter durchs Haus und verrichtet
ihre Arbeit. Am Morgen fragt Diarmuid sie, was sie für ein Wesen sei. «Ich bin
der Planet», sagt sie. Und sie erklärt, daß alle, die während der Zeit geboren
wurden, die sie im Feuer verbrachte, verbrannt würden. Wer zur Welt kam, als
sie im Wasser lag, würde ertrinken, und wer geboren wurde, als sie am Strick
hing, würde erhängt werden. Sie gab ihm auch die Erklärung für die beunruhigenden
meteorologischen Verhältnisse beim Begräbnis von Diarmuids
Vater und Mutter («ein höherer Urteilsspruch») und beantwortet die Fragen
der beiden Schmiede. So zufriedengestellt kehrt Diarmuid in sein Dorf zurück.

Es ist leicht zu ersehen, wie sich im Kopf des Erzählers manches vermischt
hat, was er hier oder dort gehört haben mochte. Daß der «Planet»
zu einer typisch irischen Fee wird, in dieser Eigenschaft jedoch seine
schicksalsbestimmende Funktion behält, ist eine sehr individuelle Aus-


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