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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1965-08/0024
PARAPSYCHISCHE PHÄNOMENE IM VOLKSMÄRCHEN 21

In der folgenden deutschen, aus Schleswig-Holstein stammenden
Fassung fehlen zwar die verschiedenen ineinandergeschachtelten Tiere
und das Ei, sie entspricht sonst aber ganz dem Typus und zeigt mit besonderer
Deutlichkeit, wie sorgsam das Herz des Unhold verwahrt und
gesichert ist29.

In einem tiefen, dunklen Wald lebt ein alter Mann ganz allein mit einem jungen
Mädchen, das er geraubt hat, in einer Hütte. Das Mädchen dient dem Mann,
fürchtet sich aber davor, daß er eines Tages sterben und sie ganz allein in dem
großen, wilden Wald lassen würde. Als sie dem Alten einmal von ihrer Sorge
erzählt, antwortet er, sie brauche sich nicht zu ängstigen, er könne nämlich gar
nicht sterben, denn sein Herz sei nicht in seiner Brust, sondern sonstwo gut
verwahrt. Auf die Frage des Mädchens, wo das denn sei, gibt der Alte zweimal
eine falsche, dann aber die richtige Antwort: «Weit, weit von hier, in einer ganz
unbekannten, einsamen Gegend liegt eine große Kirche, die Kirche ist mit
dicken eisernen Türen wohlverwahrt, um die Kirche fließt ein großer, tiefer
Graben, in der Kirche fliegt ein Vogel, in dem Vogel ist mein Herz, und solange
dieser Vogel lebt, lebe ich auch. Von selbst stirbt er nicht, und niemand
kann ihn fangen; daher kann ich nicht sterben, und du kannst ohne Sorge sein.»
Als schließlich der junge Bräutigam des gefangenen Mädchens auftaucht, verrät
sie ihm das Geheimnis. Der Jüngling macht sich zu dem bezeichneten Ort
auf, und durch den Beistand hilfreicher Tiere gelingt es ihm, in die Kirche zu
kommen und den Vogel zu fangen. Er trägt ihn in die Hütte des Alten und
versteckt sich während dessen Abwesenheit unter dem Bett. Bald kommt der
Alte nach Hause - er fühlt sich krank und matt. Der Bursche unter dem Bett
kneift den Vogel, da wird der Alte so schwach, daß er sich niedersetzen muß.
Der Bursche faßt den Vogel noch fester an, da fällt der Alte ohnmächtig vom
Stuhl. Und als der Bursche den Vogel schließlich erdrückt hat, ist auch der Alte
tot.

Das Grundmotiv des Märchens von der exteriorisierten Seele tritt uns
in ähnlicher Weise schon in dem berühmten ägyptischen Bata-Märchen
entgegen, das bereits um 1200 v. Chr. aufgezeichnet wurde30.

Zwei Brüder heißen Anubis und Bata. Der jüngere Bata dient dem älteren
Anubis treu und redlich, bis ihn eines Tages Anubis' Frau zu verführen sucht.
Er widersteht, worauf ihn die Frau - wie das Weib des Potiphar den Joseph -
bei ihrem Mann verklagt, er hätte ihr Gewalt antun wollen. Anubis verfolgt
Bata, um ihn zu töten. Da läßt der Gott Re zwischen Verfolger und Verfolgtem
einen breiten Fluß entstehen. An seinen Ufern stehen sich die Brüder gegenüber
. Zur Bekräftigung seiner Unschuld entmannt sich Bata und erzählt
Anubis den wahren Hergang. Dann teilt er seinem Bruder mit, er werde in
das Zederntal gehen und dort leben. Wenn er in Not gerate, solle Anubis kommen
und ihm helfen. Er werde nämlich sein Herz herausnehmen und es auf die
Blüte der Schirmpinie legen. Wenn die Zeder gefällt werde und sein Herz auf


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