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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_parapsychologie1965-08/0027
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gerhard sannwald

grüne und blühe, gehe es ihm wohl, welke er aber und sterbe ab, so sei
ihm ein Unglück begegnet. Im mongolischen Siddhi-Kür pflanzen sechs
Gefährten und in iooi Nacht Ali Djohari einen solchen Lebensbaum33.
Und in dem Grimmschen Märchen von den zwei Goldkindern34 sind es
zwei Lilien, die über das Befinden der Brüder Aufschluß geben. Dieses
Märchen enthält auch das archaische Motiv der magischen Empfängnis:

Dreimal fand ein Fischer einen Goldfisch in seinem Netz. Zweimal ließ er ihn
frei, und der Fisch machte ihn dafür reich; doch schwand der Reichtum wieder,
da der Fischer das Geheimnis seiner Herkunft nicht für sich behalten konnte.
Beim drittenmal rät ihm der Goldfisch, ihn in sechs Stücke zu zerschneiden:
zwei davon solle seine Frau essen, zwei seine Stute und zwei solle er in seinem
Garten vergraben. Der Fischer macht es so, und alsbald wachsen aus der Erde
zwei goldene Lilien, die Stute bekommt zwei goldene Füllen und die Frau
zwei goldene Kinder. Herangewachsen wollen die beiden Brüder in die Welt.
Sie setzen sich auf ihre goldenen Pferde und lassen die Lilien als Lebenszeichen
zurück: «Die zwei goldenen Lilien bleiben hier, daran könnt ihr sehen, wie's
uns geht: sind sie frisch, so sind wir gesund; sind sie welk, so sind wir krank;
fallen sie um, so sind wir tot». So reiten sie fort, doch kommt der eine Bruder
bald zurück. Der andere heiratet, geht eines Tages auf die Jagd und wird von
einer Hexe in einen Stein verwandelt. Der andere Bruder steht gerade bei den
Goldlilien, als eine davon umfällt. Daran erkennt er, daß seinem Bruder ein
großes Unglück zugestoßen sein muß. Er reitet aus, um ihn womöglich noch zu
retten, und tatsächlich kann er ihn erlösen. Da kehrt der eine wieder zu seiner
Frau, der andere zu seinen Eltern zurück. Und der Vater sagt: «Ich wußte
wohl, daß du deinen Bruder erlöst hattest, denn die goldene Lilie ist auf einmal
wieder aufgestanden und hat fortgeblüht».

Daß dieses Motiv der Lebenspflanze einen bis in die Neuzeit hineinreichenden
Volksglauben spiegelt, zeigen Boke und Polivka in ihren Anmerkungen
zu diesem Märchen, indem sie sich auf Mannhardt und Sebil-
lot berufen35: Noch im 19. Jahrhundert brach man in Deutschland und
Frankreich einen Stengel Telephium oder Crassula ab und pflanzte ihn
ein, um durch sein Gedeihen ein Orakel über das Ergehen eines Abwesenden
zu erhalten.

Ein weiteres in Märchen vorkommendes Lebenszeichen, für das sich
gewiß auch Entsprechungen im Volskglauben nachweisen lassen, ist der
Brunnen, dessen Wasser sich im Falle eines Unglücks trübt36. Anderwärts
erfahren die Zurückgebliebenen durch ein blutendes Tuch oder
eine blutende Bürste, einen sich trübenden Ring oder Spiegel, einen zerspringenden
Becher, einen umstürzenden Speer, durch zerreißende
Saiten einer Zither usw. von der Lebensgefahr des Helden. Noch einmal


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