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ERICH ROTHACKER
lehre des Biologen J. v. Uexküll an und verwendet sie zum Ausbau einer
Lehre von der «Bedeutsamkeit» in der Entwicklung von Kulturen und
Epochen. Seine kulturhistorischen Beispiele für das Erleben bestimmter
Weltaspekte in verschiedenen geschichtlichen Epochen - eine Vorwegnahme
der «social perception» - zeigen seine umfassende Bildung. Diese
beschränkte sich aber nicht auf den Bereich der Geisteswissenschaften.
In sein wichtigstes psychologisches Werk, die 1936 erschienenen «Schichten
der Persönlichkeit» hat er ein vielseitiges biologisches, medizinisches
und psychologisches Wissen eingearbeitet und in eine Theorie vom Aufbau
der seelischen Funktionen zusammengefügt. Dieser weithin bekannt
gewordene Entwurf ist in der Mannigfaltigkeit seiner Gesichtspunkte
noch nicht ausgeschöpft. Die Wirklichkeit menschlichen Verhaltens in
natürlichen Lebenssituationen ist der Bezugspunkt dieser theoretischen
Konstruktion, die in der Fülle der Beziehungen die Universalität des
Autors erkennen läßt.
Der in Pforzheim am 13. 3. 1888 geborene Philosoph und Psychologe
hat den größten Teil seiner Jugendzeit in Neapel verbracht. Der südliche
Glanz dieser Stadt hat ihn mitgeprägt. Von 1908 bis 1912 studierte er an
den Universitäten Straßburg, Kiel und Tübingen Philosophie und danach
noch mehrere Semester Medizin in Berlin und an anderen Universitäten.
1922 habilitierte er sich bei Heinrich Maier in Heidelberg, wurde bald
darauf dort zum a.o. Professor ernannt und 1928 auf den Lehrstuhl für
Philosophie und Psychologie an die Universität Bonn berufen. Als er
1954 emeritiert wurde, hörte sein sprühender Geist nicht auf zu wirken.
Eine schwere Erkrankung im Frühsommer 1965 folgte dem mühsam
errungenen Abschluß seines letzten Werkes, dessen Fahnen er nicht mehr
gelesen hat. Der Geist hatte das Leben aufgezehrt. Er wird weiter wirken.
Hans Bender
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