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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/adr1949/0009
Wohnnngsblock der Siedlungsgesellschaft m.b.H. Freiburg 1. Br.
an der Tennenbacher Straße • Foto Karl Müller

seelischen Werte unbeachtet läßt, ohne die weder der einzelne
, noch die Gemeinschaft wirklich leben — was mehr
ist als existieren — kann. Umgekehrt aber kann der seelische
Aufbau gewisser materieller Voraussetzungen nicht ent-
raten. Jeder Idealismus bedarf einer realen Grundlage, eines
Existenzminimums.

In welchen Bahnen sich nun dieser Wiederaufbau bisher
vollzog, soll im folgenden durch einen schlichten Tatsachenbericht
angedeutet werden, der sich zum Teil auf die inhaltsreiche
Broschüre „Drei Jahre kommunale Arbeit in Freiburg
i. Br.", herausgegeben von der Stadtverwaltung Freiburg
i. Br., bearbeitet von Oberbürgermeister Dr. Hoff-
mann, stützt *.

An erster Stelle des gesamten Wiederaufbaus steht, wie
dies Oberbürgermeister Dr. Hoffmann immer wieder
betont, dieBehebungder Wo h n u n g s n ot. Das ganze
Wiederaufbauprogramm kristallisiert sich sozusagen um die
Lösung dieser brennenden Frage. Unsere Stadt zählt heute
über 106 000 Einwohner. Etwa 47 Prozent des Gesamtwohn-
gebäudebestandes wurde durch Kriegseinwirkung vernichtet
; dabei waren schon 1939 ungefähr 2000 Wohnungen
zuwenig. Um möglichst schnell zu einer fühlbaren Erleichterung
der Wohnungsnot zu kommen, wurde zunächst mit
der Wiederherstellung der leichter und mittelschwer zerstörten
Wohnungen begonnen. Von rund 15 000 überhaupt
reparierbaren Wohnungen wurden bisher rund 13 700 instand
gesetzt. Dies war nur dadurch möglich, daß 75 Prozent
des gesamten zur Verfügung stehenden Baumaterials
für diese Zwecke verwendet wurde. Ferner war natürlich
ein verständnisvolles Zusammenarbeiten des städtischen
Bauamtes und der Bevölkerung die notwendige Voraussetzung
für solche Leistungen. Außerdem wurden zur Steuerung
der Wohnungsnot 40 Holzhäuser, teilweise zweistöckig,
für einen Betrag von 1 000 000 RM erworben; wahrlich ein
glücklicher Kauf zur red ten Zeit. Die größte Anzahl dieser
Holzhäuser ist bereits aufgestellt und bezogen. Durch Erwerb
und Ausbau eines Teiles der ehemaligen Artillerie-
kaserne wurden ebenfalls neue Wohnungen gewonnen, die
größtenteils bereits bezogen sind. Trotzdem ist die Wohnraumbeschaffung
noch immer das Problem und d i e Aufgabe
, die vor allem gelöst werden müssen. Denn noch immer
besteht ein Defizit von 6000 Wohnungseinheiten, noch immer
leben rund 1000 Menschen in Notunterkünften (Behelfswohnungen
, Notwohnungen, Kellerräumen, Waschküchen,
Baracken, Gartenhäuschen). Welche Unsumme von Arbeit das

* Diese Broschüre ist im Bathaus beim Hausmeister zu haben
(Preis SO Pfennig).

Wohnungsamt leisten muß, mag eine Zahl beweisen: der tägliche
Publikumsverkehr schwankt zwischen 500 bis 600 Personen
. Das sagt genug! Wenn neben dem ausgesprochenen
Wohnungsbau auch die Erstellung von Behelfsläden und die
Schaffung von Gewerberäumen dringend gefordert und gefördert
werden, so nicht zuletzt deshalb, weil dadurch ebenfalls
Wohnraum frei wird; sind doch zur Zeit etwa 5000 Räume
für gewerbliche Zwecke in Anspruch genommen. „Das eine
tun und das andere nicht lassen", war hier die richtige
Überlegung der Stadtverwaltung. So entstand eine Reihe
von Behelfsläden vor dem ehemaligen Bertholdgymnasium,
in der Dreisam-, Rotteck- und Kaiser-Joseph-Straße. Durch
Ein- beziehungsweise Ausbau großer Geschäftshäuser (Hett-
lage, Richter, Müller) wurde zusätzlicher Geschäftsraum
gewonnen. Dank der wachsenden Privatinitiative entstehen
in anderen Straßen ebenfalls Geschäfte im Auf- oder im
Ausbau noch vorhandener Reste.

In diesem Zusammenhang noch ein Wort über den Wiederaufbau
allgemein. Es ist hierüber viel gesprochen, geschrieben
und kritisiert worden. Dem einen geht es „zu
langsam", dem anderen gefällt die „Planung" nicht, ein
Dritter will wissen, daß „andere Städte schon bedeutend
weiter" sind, und wie die Meinungen alle lauten. Tatsache
ist, daß die Enttrümmerungsarbeiten vor der Währungsreform
sich keiner großen „Beliebtheit" beim Publikum erfreuten
, sonst hätte die Beteiligung eine lebhaftere sein
müssen. Die schlechten Ernährungs- und Bekleidungsverhältnisse
haben hier sicherlich eine entscheidende Rolle gespielt
. Aber es fehlte da und dort auch der gute Wille. Bei
dem vorhandenen Gerätepark hätten mit einem Arbeitskräfteeinsatz
von täglich rund 350 Mann pro Tag 500 Kubikmeter
Schutt beseitigt werden können. Leider waren es aber
durchschnittlich nur etwa 180 bis 190 Mann. Das änderte
sich mit dem Tag der Währungsreform sozusagen über
Nacht. Jetzt (seit dem 20. Juni 1948) setzte eine berufsbedingte
Arbeitsfreudigkeit ein, daß, wäre es nur finanziell
durchzuhalten, in drei Jahren die ganze Stadt enttrümmert
wäre. Dieser „berühmte" X-Tag, der leider für so viele
Klein- und Sozialrentner und alte Leutchen, die ihren
letzten Spargroschen verloren, ein „Schwarzer Tag" wurde,
hatte überhaupt auf vielen Gebieten ein lebhafteres Tempo
zur Folge. An so manchen Plätzen, wo noch vor kurzem
Ruinen ragten, sind die Baustellen fast wiederaufbaureif.
Die bis dahin berechtigten Klagen über Mangel an Arbeitskräften
und Material sind fast ganz verstummt. Allerdings
hemmt heute der chronische Geldmangel den Wiederaufbauwillen
des einzelnen und der Kommunen in erheblichem
Maße. Dennoch ist es der Stadtverwaltung durch Aufnahme
von kurz- und langfristigen Darlehen gelungen, schon jetzt
erhebliche Beträge für den Wiederaufbau flüssig zu machen.
Zunächst sind vorgesehen: 5 000 000 DM zur Förderung der
Bautätigkeit durch Kapitalhingabe, 6 415 700 DM zur Beseitigung
von Kriegsschäden und zum Wiederaufbau, 282 500 DM
zum Ausbau der Artilleriekaserne für Wohnungen und
31 000 DM zum Ausbau von Waschküchen in der Siedlung
Opflnger Straße. Der Wiederaufbau ist in drei Dringlichkeitsstufen
gegliedert, die erste umfaßt 373 Wohnungen und
eine Schule (Hansjakobschule), die zweite 284 Wohnungen
und drei Läden, die dritte 32 Wohnungen und den Neubau
eines Rentnerheimes mit 88 Wohnungen; die Gagfah beabsichtigt
60 bis 80 Wohnungen zu erstellen. — Durch das
Anlaufen dieses Wohnungsbauprogramms wurde gleichzeitig
ein Arbeitsbeschaffungsprogramm
durchgeführt, das es den örtlichen Bauunternehmungen
ermöglicht, ihre Baukapazität unterzubringen und von
Arbeiterentlassungen abzusehen.

Auch dem Charakter Freiburgs als Gartenstadt
trägt der Wiederaufbauplan Rechnung. Bereits sind ver-

VI


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