Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 12
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0012
Dipl.-Ing., Architekt Donatus Stieler

Bauwerke des 19.Jahrhunderts

Sind sie weniger erhaltenswert als solche aus früheren Epochen?

Nach welchen Kriterien sollte ihr baukünsfferischer Wert bemessen werden?

Durch die Bestrebungen der Stadtverwaltungen, bereits erschlossenes und überbautes
Gelände intensiver nutzen zu lassen — sprich: vorhandene Bebauung abzubrechen und in
konzentrierterer Form neu zu errichten — wird die Existenz zahlreicher Bauten aus dem
19. Jahrhundert und aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts gefährden.

Gebäude aus den diesem vorausgegangenen Zeitaltern sind so rar geworden, daß ihr
Bestand meist unerheblich ist für geplante Sanierungen, oder aber, sie sind durch die Denkmalpflege
und durch das Interesse der Bürger in genügendem Maß geschützt, so daß eine
Entfernung nicht in Frage kommt.

Gebäude aus dem 19. Jahrhundert jedoch — und vornehmlich aus dessen zweiter Hälfte und
aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts — unterliegen bisher in seltensten Fällen dem
Denkmalschutz; ihre künstlerische Qualität wird meist unterschätzt und ihr Abbruch wird
oft — zur Zeit noch — von den gleichen Bürgern lebhaft begrüßt (in dem Sinne etwa, daß
es höchste Zeit wird, daß der oder jener „alte Kitsch" im Zuckerbäckerstil entfernt wird), die
eifersüchtig über die Erhaltung von Bauten aus z. B. dem 18. Jahrhundert wachen.

Manchmal steht es allerdings außer Frage, daß ein Bau ungeachtet seiner Qualität entfernt
werden muß, da an seiner Stelle ein der Allgemeinheit besser dienender Neubau entstehen
soll. Oft allerdings könnte ein solcher Bau ebenso gut an anderer Stelle errichtet werden,
der an dieser Stelle zu entfernende Bau aus dem 19. Jahrhundert ist den Initiatoren ein
Dorn im Auge und das Interesse der Allgemeinheit muß nur als Alibi für den Abbruch
dienen. Ein typisches Beispiel für diese Umstände war der vor kurzem abgetragene Bau der
ehemaligen Rotteckschule.

Die Entfernung eines Bauwerks aus dem 19. Jahrhundert bedeutet, objektiv gesehen, meist
einen echten Verlust an Urbanen Werten einer Stadt, der zunächst jedoch nur von einer
kleinen Gruppe besonders interessierter und aufgeschlossener Bürger empfunden, der
später jedoch, vielleicht schon unmittelbar nach Fertigstellung des neuen Bauwerkes, von
der Allgemeinheit als besonders gravierend und schmerzlich erkannt wird. War es nicht im
Verlauf der baugeschichtlichen Epochen stets so, daß nach dem Auslaufen einer bestimmten
Stil- oder Geschmacksrichtung erst eine gewisse Zeit verstreichen mußte, bevor man
sie wiederum anerkannte und bejahte? Sind nicht in der Zeit des Klassizismus und des
Biedermeier zahlreiche Barockbauten abgetragen worden (z. B. die Abtei Münsterschwarzach
in Franken, erbaut von Balthasar Neumann), oder es wurden Innenräume mit barocker oder
Rokoko-Dekoration in klassizistischem Geschmack umgestaltet? Ähnliches taten die Neugotiker
im 19. Jahrhundert.

Grundsätzlich spielt es keine Rolle bei der Bewertung eines Bauwerkes, ob es aus unserem
Jahrhundert, aus dem 19. Jahrhundert oder aus einem vorangegangenen Jahrhundert
stammt. Es war lediglich eine Gewohnheit, die auf Vorurteilen und Unkenntnis beruhte,
Bauten aus neuerer Zeit mit großer Skepsis zu betrachten und ihnen a priori einen nur
geringen baukünstlerischen Wert zuzusprechen.

Ferner ist es grundsätzlich unerheblich bei der Bewertung eines Bauwerkes, ob ein materieller
Nutzen in seiner Existenz oder in seinem Abbruch liegt. Sollte man sich im Einzelfall
zur Entfernung eines Gebäudes entschließen, so sollte man sich über die Höhe eines
etwaigen ideellen Verlustes im klaren sein.

Im Folgenden werden einige Punkte angeführt, die als Bewertungskriterien gelten können,
wobei es unerheblich ist, ob die Bauten aus unserer Zeit, aus einer vergangenen „anerkannten
" Stilepoche, oder gar aus der „nicht anerkannten" Zeit des 19. Jahrhunderts stammen
. Der künstlerische Wert eines Bauwerkes ist immer subjektiv; er kann aber bis zu
einem gewissen Grad durch einige rationell erfaßbare Punkte definiert werden.

1. Ein Bauwerk ist stets Bestandteil seiner Umgebung — auch einer Landschaft — und kann
nur mit dieser zusammen betrachtet werden. Eine Veränderung an diesem Bauwerk, sei es
durch Abbruch und Neuaufbau, sei es durch Umbau oder durch Hinzufügen weiterer Teile,
kann den bisherigen optisch-ästhetischen Gesamteindruck stark beeinträchtigen. Beispiel:
Kartaus.

2. Ein Bauwerk prägt das Stadtbild in seinem Bereich durch seine exponierte Lage oder durch
seine markante Gestalt, so kann seine Entfernung oder Umänderung das „innere Gleichgewicht"
an dieser Stelle empfindlich stören. Beispiele in Freiburg: Dresdner Bank, Stühlinger Kirche
u. a.

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