Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 21
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0021
Bauingenieur Michael Gerspacher

Die Sozialstruktur einer Stadt

Lassen Sie mich hier ein paar Gedanken aufzeigen, deren Sinn es sein soll, über die Sozialstruktur
einer Stadt ein wenig zu reflektieren. Es ist ein Versuch, ein vielschichtiges Gebilde
zumindest teilweise in seinen Konturen abzutasten. Diese Gedanken sind nichts abgeschlossenes
, sie sind lediglich ein bescheidener Anfang für ein notwendiges Gespräch.

Sucht man den Charakter einer Stadt zu deuten, so verfährt der Beobachter meist nach einem
allgemein praktizierten Wertschema, das in etwa erfassen könnte, was eine Stadt im besonderen
auszeichnet. Das kann z. B. sein: ihre geographische Lage, die sie umgebende
Landschaft, ihre kulturellen Besonderheiten, ihre Bildungseinrichtungen, ihre historische
Substanz, die industrielle und wirtschaftliche Bedeutung, ihren Freizeitwert usw.

Dieser Katalog könnte beliebig erweitert werden, je nach dem Blickwinkel des Beobachters,
welcher aus seinem subjektiven Empfinden und Erleben heraus zu beschreiben sucht.

Der Charakter einer Stadt, d. h. was sie im spezifischen ausmacht, sie vielleicht von anderen
Städten unterscheidet, steht in einer sehr engen Beziehung zu ihrer Atmosphäre; einem von
ihr ausgehenden eigenen Lebens- und Wertgefühl, das ihre Bewohner umgibt. „Atmosphäre"
einer Stadt jedoch treffend und allgemeingültig definieren zu wollen, verbietet sich noch weit
mehr als bei der Deutung des Begriffes „Charakter einer Stadt"; läßt sich letzterer doch noch
zu einem großen Teil über objektive Daten erfassen. (Größe, Alter, Planungsprinzip des
Grundrisses, Baustile, Zahl der Hochhäuser usw.)

Die „Atmosphäre" einer Stadt wird weitgehend aus dem Spannungsfeld „Umweltbedingung

— Individuum" heraus beschrieben. Die Umweltbedingungen werden jedoch meist nicht
objektiven reflektiert, d. h., ihre objektiven Ursachen und Abhängigkeitsgrößen bleiben oftmals
unangetastet; lediglich die von ihnen ausgehenden Wirkungen werden subjektiv erfahren
, hingenommen und beschrieben. Hier zeigt sich ein Verhaltensvorgang, der sowohl beim
eingesessenen Bewohner einer Stadt, wie bei dem kurzseitig in der Stadt weilenden Besucher
, gleichermaßen demonstriert werden kann.

Charakter und Atmosphäre einer Stadt werden also primär von ihrem äußeren Rahmen heraus
gedeutet und erfahren. Die künstlich aufgeputschte Dynamik klassischer Geschäftsstraßen
in deren hektischem Gewoge der konsumsüchtig gewordene Mensch dahingetrieben wird,
läßt abends erschreckend deutlich werden, wie sehr sie eben nur Fassade und Pseudo-
dynamik ist.

Wollte man also mehr und präziser erfahren, was Stadt ist, so müssen wir uns dem zuwenden,
was sie inhaltlich ausfüllt: das sind die Menschen, ihre Bewohner. Versucht man nun über
die Bewohner sich die Stadt zu erschließen, so erkennt man rasch, daß die im Stadtplan ausgewiesenen
Quartiere nicht nur flächenhafte und räumliche Grenzen darstellen, sondern
durch ihre unterschiedliche Wohnstruktur und Bewohnerstruktur als abgeschlossene Lebensbereiche
mit ihren jeweiligem spezifischen Eigenleben ausgewiesen, ja determiniert sind.

Die Stadt daher hinstellen zu wollen als ein Lebensraum, in dem all ihre Bewohner in harmonischer
Eintracht und im Wissen voneinander und füreinander getragen sind, ist eine
unverzeihliche Lüge eines Schöngeistes, der nicht wahrhaben will oder es nicht wahrzuhaben
braucht, welchen Zwangslebensraum die Stadt für die meisten ihrer Bewohner darstellt, in
der Tragik verschärft durch die jeweilige soziale Situation mit ihren Zwängen.

Die wirklich humane Dimension einer Stadt wird daher am ehesten offengelegt über ihre
Sozialstruktur. Sie bietet Zugang zu dem komplexen Wirkungsgefüge zwischen menschlichen
Beziehungen, wie sie aus der jeweiligen Quartiersituation einer Stadt für das Sozialgebäude
Stadt verfügbar sind.

Sie versucht die objektiven Sachverhalte zu ergründen und gibt somit die notwendige Ausgangsbasis
für die wirklich vorhandenen Beziehungsfelder, deren reale Chancen und Möglichkeiten
.

Im folgenden möchte ich kurz anreißen:

— Was ist die Sozialstruktur einer Stadt

— Weshalb ist die Stadt sozial strukturiert

— Veränderung der Sozialstruktur eines Wohngebietes durch Sanierung

— Bürgerinitiativen aus sozialstruktureller Sicht

— Stadtbevölkerung als Zwangsgemeinschaft, als Sozialgemeinschaft

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