http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hesse1828/0462
438
STUDENTEN - ORDEN
$,Seit den ältesten Zeiten hatten
auf hohen Schalen Verbindungen
unter den Lernenden
bestanden, besonders damals,
als noch Jünglinge' aus allen
Völkern Europas sich auf den
wenigen ersten Hachschulen
versammleten,* um durch den
schönen Drang; der Landsieute
sich fest aneinander zu schlie-
fsen. Der Zweck dieser Innungen
verschwand, sobald die
meisten Völker ihre eignen
Landesschulen hatten. Allein,
dafs der Student- einen eignen
Stand bilden müsse, erheischt
die Eigentümlichkeit seines
Verhältnisses 2tu "allen übrigen
Staatsgenossen. Freiheit mufs
ihm auch im Aufsern seyn;
denn er soll in einer Gedankenwelt
leben und in dieser Beschaulichkeit
so wenig, als möglich
, durch den Druck der Wirklichkeit
gestört werden. Die Erfahrung
rechtfertigt Diefs noch
täglich durch den Gegensatz da,
wo der academisehe Bürger unter
die Polizei oder dem Schul-?
knaben gleich gestellt ist. Wo
ein Stand ist, da ist auch ein
Standesgeist" \esprit de corps],
„der dessen Freiheit und Ei*
genthümliclikeit schützen will
und müfs. Die gesammte Burschenschaft
mufs eine Einheit
bilden, gegenüber den andern
Ständen, unter denen sie lebt;
sie mufs einen Gesammtwillen
bilden und aussprechen. Für
diesen Zweck entstanden in
Deutschland die alten sogenannten
Studentenorden, feierliche
Verbrüderungen zur Aufrecht-
haltung Qcadeniischer Freiheit.
Als im AhWe des Torigen
Jahrhunderts' der1 Begriff von
Freiheit so verworren wurde,
arteten auch jene Innungen aus;
und mit dem alten Studenten-
feiste verschwand die Seele aus
er Anstalt; sie wurde eine
Pflanzschule und Freistätte der
gemeinsten Rohheit, zerfiel auch
auf vielen Hochschulen in, sich
selbst; und an ihi'er Stelle traten
, lediglicli zuni Kampfe gegeneinander
selbst geeignet, die
Landsmannschaften^* u. s. w. —
Aus dem „deutschen Unterhal-
tungablatte, herausgegeben von
D.Friedrich Camp e^6 auf das J,
1317, Nro. 49, S. 196.]
: \Lauhhard, der das Wesen
der:f Studentenorden^genau
Kannte, gibt in der am
Schlüsse des obigen Artikels
: Amicisten, angezogenen
Schrift, S. 38 f., als
allen gemeinsame Grundregeln
an;
ffi) Freundschaft ist die
Gründlage solcher Verbindungen
; und es mufs folglich jedes
Mitglied das Seinige zur Erhaltung
der Freundschaft beitragen
, mit jedem Mitverbunde-
rren. es gut meinen und, dessen
Wohlseyn aufrichtig zu befördern
, suchen,* *
„2) Die Beleidigungen, welche
» ein Mitglied dem andern
zufügt, müssen gütlich abge-
thän und verglichen werden,
sowie es unter Freunden Sitte
und Recht ist."
Beleidigungen von einem
Fremden dürfen nicht gelitten
werden;, denn, wenn Diefs bekannt
würde: so fiele der Verdacht
der Feigheit und des schiefen
Sinnes auf die Verbindung
selbst,"
,,4) Folglich hat jedes Mitglied
das Recht, darauf zu sehen
, dafs kein andres beleidigt
oder beschimpft werde."
,,5) Das gesellschaftliche Vergnügen
macht die Würze der
academischen Freundschaft aus;
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/hesse1828/0462