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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-06/0018
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Die Markgrafschaft

Seidenschleife flattert leichtfertig in die Höhe
und schmeichelt dem Geigenmännchen ums
Gesicht.

Das Männlein hebt die Geige, und eine vertraute
Walzermelodie löst sich aus den Saiten:
„Lippen schweigen, 's flüstern Geigen: hab mich
lieb ... " Der Fächer ist plötzlich in meiner Hand.
Ich bin jung, so selig jung! Der Dachboden ist
hell und weit. Es ist ja nicht mehr der Dachboden
; ich bin daheim in der Krone, im Schillersaal
. Strauß, Lanner, Waldteufel, Lehar, Linke,
Fall, Zeller — alle werden lebendig. Augen leuchten
, Kleider rauschen, und die Lichter der Kronleuchter
lassen die Spitzen der Lackschuhe aufblitzen
. Ich fliege aus einem Arm in den andern.
Und nun kommt mein liebster Tanz: ein Menuet-
walzer. Ganz allein stehe ich und warte auf den
langsam herankommenden Partner. Sehe ich
recht? Ja, es ist der alte, weißhaarige Gustav,
mit dem ich diesen Walzer am liebsten tanze.

Wir verneigen uns lächelnd und schreiten mit
erhobenen Händen die zierlichen Figuren des
Menuets, drehen und schwingen uns. Da sagt er
unverhofft im schönsten Alemannisch: „Gelle Si,
mir Alte chönne's halt doch no!" Lächelnd verbeugen
wir uns vor einander; dann ist es plötzlich
der Schöne, der Glänzende, der Spanier, der
meine Hand hält. Oh, die Sonne hat ihn wohl
tüchtig angeschienen; denn er fängt an, mich zu
brennen. Erschrocken lasse ich seine Hand los.
Polternd fällt er zu Boden, gerade auf einen
Teller. „Oh Donna Ida!" seufzt er vorwurfsvoll
im Fallen.

„Mutti, brichst du ab da oben?", ruft es von
der Treppe her. „Es ist schon ein Uhr, und wir
haben Hunger!"

Pan, alter Pan, wie hast du mich genarrt!
Aber der zerbrochene Teller ist Wirklichkeit.

Jda Preusch-Müller

r

Unsere Buchbesprechung

Kampf um einen Berg

Bodensee! — Wem ist dieses Wort nicht teuer ob des
Atems von Glück, Sehnsucht und Erinnerung, der von
ihm und seiner Landschaft ausgeht? Und doch griff die
Technik in ihrer allverschlingenden Gier auch nach diesem
Fleckchen Erde. Nur im Hinblick auf ihre Bodenschätze
schienen die erloschenen Vulkane im Hegau einer
näheren Betrachtung wert. So wuchsen plötzlich Masten
aus der Erde, man plante die Vernichtung eines Berges,
den einst Dichter mit dem Namen „Corona Imperii" auszeichneten
, eines Berges, der einmal drei Burgen getragen
mit Mauern, denen die Geschichte im Lauf der
Jahrhunderte ihre denkwürdigen Zeichen eingrub. Das
Schicksals jähr des Hohenstof f ein war das Jahr
1912: in diesem Jahre prägte die Technik ihre Runen in
das Antlitz dieses Berges.

Jedoch am Bodensee wurde gewacht, man wollte sich
bis zum äußersten wehren gegen einen derartigen Eingriff
in des „Herrgotts Kegelspiel". Ludwig Finckh
rief mit einem Kreis Gleichgesinnter und Gleichstrebender
die Welt um Hilfe zur Rettung des Berges an:
„Stofflio" sollte für die kommenden Jahre die Losung
in Wort und Bild sein, ein harter Kampf hatte begonnen
, der sein Ende nach fast dreißig Jahren in der
Veiiündung des ersehnten Reichsnaturschutzgesetzes
gefunden hat. Die Einstellung des Basaltabbaus war
geboten! Aus zwei Welten stießen in diesem Streit die
Menschen aufeinander, nirgends konnte sich eine Basis
der Verständigung finden. Die kleine, begeisterte Gemeinde
wollte ihren Berg erhalten, sie besaß die Ehrfurcht
vor Gottes Schöpfung, die andern erblickten in
dem Berg eine willkommene Gelegenheit der Ausbeutung
und Bereicherung.

In diesen Kampf um den Hohenstoffeln sind menschliche
Gefühle und Schicksale verwoben; Ludwig Finckh
gab ihnen dichterische Gestaltung in seinem kürzlich
erschienenen Roman „Der Goldmacher" *). Nicht
in einer Alchimistenküche, wie Breughel sie darstellte,
ist dieser Goldmacher anzutreffen, sondern er ringt um
die Gewinnung solchen Goldes: „Liebe verlangt Gold,
und Gold ist selten, das findet man nur in der Goldgrube
, im Herzen". Dieser Heiner Hasenfratz, dem jeder
(Baum, jedes Tier, jede Versteinerung seiner Landschaft
vertraut und teuer ist, wird zum Anführer und Fähnlein
der Aufrechten und zum heftigen Streiter gegen die
Basaltbrecher. „Es geht nicht um Gewinn, es geht um

die Seele, es geht um alle deutschen Berge!" Der Aufruf
war ein Signal zur Rettung des gefährdeten Berges
bei allen, denen ein Berg, ein Wald, das Wasser etwas
Unantastbares und Heiliges bedeuten. Zeugnisse als
Ausdruck edeln Menschentums versöhnen wieder für
Taten, die teilweise niedrigster Gemeinheit entspringen.
Heiners Lebenslauf voll Glück und Schmerz — er trägt
autobiographische Züge — erhält, farbig und klar in der
Sprache, eine lebendige Schilderung durch den Dichter.
Mit erfahrenem Blick sieht und zeigt er die verheerenden
Wirkungen des „auri sacra fames" — des verfluchten
Hungers nach Gold — auf die Gemüter der Menschen
. Der Fluch dieses Goldes wird unwirksam
gemacht durch das Gold des Herzens, das sich offenbart
im guten Willen: „Alles zu Gold zu machen" mittels
einer Gnade, die Not und Pein umzulieben und umzu-
leiden die Kraft verleiht. — Nicht ohne reichen inneren
Gewinn wird der Leser dem dramatischen Verlauf dieses
Vorganges folgen! Angelika Holler

Der Hebelbund Lörrach berichtet:

Schüler bedanken sich

Welmlingen, den 19. Mai 1953

An das Präsidium des Hebelbundes Lörrach

i

Wie jedes Jahr, so feierten wir auch diesmal den
Geburtstag des großen alemannischen Heimatdichters
Johann Peter Hebel. Schöne Erinnerungen, Geschichten
und Gedichte hat uns der feinsinnige Dichter hinterlassen
. So hörten wir auch in unserer Feier einige
Gedichte und Worte von Johann Peter Hebel. Wie groß
war jedoch die Freude, als wir für unsere Vorträge mit
einem schönen und inhaltsreichen Buch beschenkt wurden
, und wir möchten mit diesen wenigen Zeilen dem
Hebelbund Lörrach unseren besten Dank sagen. Wir
wollen versuchen, in Johann Peter Hebel, der trotz
wachsendem Ruhm bescheiden, einfach und heimattreu
geblieben ist, ein mahnendes und wegweisendes Vorbild
zu sehen.

In Dankbarkeit grüßen

Heinz Heckle

Dieter Wißner

Verena Bauer

*) Ludwig Finckh: „Der Goldmacher", Roman. Verlag
Gerhard Heß, Ulm a. D., 1953. 214 S. Gzln. 5,50 DM.

Herausgeber: Hebelbund Lörrach und Müllheim (Baden)
Redaktionskommission des Hebelbundes
Gesamtredaktion: L. Börsig, Müllheim
Verantwortlich für den Lörracher Heimatteil: Max Demmler
Telefon: Lörrach 2900 — Müllheim 358
Manuskriptzusendungen an: Hebelbund Lörrach und Hebelbund Müllheim
Redaktionsschluß jeweils am 1. jeden Monats
Anzeigen-Annahme: F. Wolfsberger, Müllheim, Wehrgasse 3
Postscheckkonto 68889 Karlsruhe
Druck: Markgräfler Druckerei, Müllheim (Baden)


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