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Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 76
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erkennt man den Wert dieses Fisches auf dem Markt wie auch für die Zunge;
Salmen heißt er eigentlich zur Hauptfangzeit bis zur Tag- und Nachtgleiche, wenn
noch sein rötliches Fleisch satt und fett schmeckt, danach heißt er Lachs. Die 4 Wochen
zwischen Allerheiligen und Andreastag waren von der bischöflichen Herrschaft
für die Isteiner Fischer von jeher als die hohe Zeit der Lachswaid bestimmt;
die übrige Zeit im Fischerjahr galt der Jagd mit Bäre, Rische und Angel auf Forellen
, Drischen, Äschen, Schleihen und Blaukärpfli. Auf dem Markt und in den
Basler Wirtschaften weniger begehrte Sorten, wie die Nasen, die oft waidlingsvoll
gefangen wurden, warf man den Sauen vor. Mit Wehmut erzählen die Alten von
diesen gesegneten Fischzügen, wenn sie mit ihren Buben an den leeren Trögen vorbei
, ohne eine einzige „Tschiebe" gefangen zu haben, resigniert dem armseligen
Wasser den Rücken kehren. Als sie von ihrem Vater das schwere Handwerk erlernten
und es aus seinen müden Händen entgegennahmen, schlug die Rheinregulierung
die erste Wunde, die zu ihrer Zeit nicht mehr ausheilte: Sinkende und
stinkende Schmutzwasser bleiben den Enkeln nach der Kanalisation und Abzapfung
, der Ruin und das Ende der Fischerei!

Frieders Waidling und Fischtrog liegen verlächert auf dem Trockenen in
„Thürings Meerie"; kein „gotzig Schwänzli" will dem verbitterten Alten mehr
ins Garn gehen. Aber täglich ein bis zwei Mal trottet er am vergessenen Vertrun-
kene-Gottesäckerli vorbei, übers Damm, durchs versteppte „Totengrien" zu seinem
Geräteschopf, garet ein wenig an der verrosteten Lachsfalle, stochert unruhig am
Bäre, geht weiter, die verwilderte Uferböschung hinab zum ausgebreiteten Langgarn
, das in den Goldruten auf der wachsenden Kiesbank im Strombett versinkt,
schüttelt den Kopf, schimpft mit den badenden Buben und kehrt dem von Unrat
verschmutzten letzten Rest seines Fischwassers den breiten, gebeugten Rücken.
Es geht ja den andern auch nicht besser, den letzten Veteranen aus 300 Jahre alten
Fischergeschlechtern: Fischer-Peters Paul und Lukas und Meirods Frieder; ihre
Rischen und Bären hängen so hoffnungslos an der Weide wie die werkgewohnten
schaffigen Glieder an — den Fischmannen. Ihre Söhne und Enkel brechen im
Hartberg Steine und füllen mit dem weißen Kalkschotter die ausgetrockneten Löcher
und Altwasserarme im Rheinvorland. Was für die Väter einst ernsthafte und
schwerste Berufsarbeit war, und mit Können und Geschicklichkeit ausgeübt wurde,
— das „Wasser zieh" und „Aacheere" in den unberechenbaren Strudeln und Strömungen
im leichten Waidling^ — wurde bei den Jungen mit derselben leidenschaftlichen
Hingabe notgezwungen zur Liebhaberei abgewertet. Vom zehnten Teil der
einstigen Fänge fällt höchstens noch ein Taschengeld für die Veteranen ab. Es ist
das Gesetz des Fortschritts, zu zerstören, einzuebnen und gleichzumachen; wir
erlebten es drastisch und nachhaltig, seitdem der Grundwasserspiegel nach der
Rheinregulierung von Jahr zu Jahr sank, als zuerst die reichen Fischgründe der
Altwasser versiegten, dann sogar das Bett des Dorfbaches austrocknete. Vor 20
Jahren wurde vom Elsässer Kanal das Hauptwasser abgezapft, nun folgte in
diesem Jahr durch die Fortführung des geplanten Rheinseitenkanals bis Straßburg
die fast vollständige Entleerung unseres Strombettes. Die Folgen sind noch nicht
zu übersehen.

Am Ende einer so uralten Entwicklung schauen wir gerne zurück, vom Seienden
auf das Gewesene. Fischer und Jäger waren schon die Urmenschen. Funde von
einfachsten Fanggeräten, von Angelhaken zeugen von Menschen am heimischen

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