Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,eg
Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 99
(PDF, 29 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgjb-1954/0098
In besonderer Erinnerung blieb mir ein Ritt, den ich in meinem Berufe nach
Endenburg ausführte, einem hochgelegenen Dörfchen im Amte Schopfheim.
Ein Gewitter war niedergegangen, in köstlicher Luft nahm ich meinen Weg durch
den Wald zur Scheideck hinauf, wo General von Gagern am 20. April 1848 den
Tod gefunden hat. Dort biegt die Straße nach Endenburg ab. Wo sie aus dem
Walde tritt, öffnet sich eine weite Aussicht südwärts gegen die Schweiz. Plötzlich,
wie durch Zaubermacht, lag in kristallener Klarheit die ganze Kette der Schweizer
Hochalpen vor mir; sie erschienen so nahe, als könnte man Steine auf die Schneefelder
werfen. Überrascht hielt ich mein Pferd an und blickte bewundernd nach
der nahe gerückten Ferne. Am Wegrain saß ein alter, in schwerer Arbeit ergrauter
Bauer und betrachtete, in Andacht versunken, das herrliche Bild. Unerwartet
wandte er sich an mich; das Herz war ihm aufgegangen, er mußte seine Gefühle
aussprechen. „O wie groß und schön", redete er mich an, „sind die Werke der
Schöpfung!" „Ja!" wiederholte ich seine Worte, „sie sind groß und schön", grüßte
und ritt nachdenkend weiter. — Es wird behauptet, der Sinn für landschaftliche
Schönheit sei das Erzeugnis unserer modernen, hochfeinen Bildung^; die Worte des
armen Bäuerleins beweisen, daß die neuzeitliche Kultur ihn nicht erzeugt, sondern
nur geschärft haben kann.

Die Bewohner des Hochblauen hießen in Kandern die „Wälder" (Schwarzwälder
) zum Unterschiede von denen des Hügellandes zwischen Kandern und dem
Rheine. Obwohl sie eines Stammes und eines Bekenntnisses, des evangelischen, sind,
und die Weiber die gleichen Flügelhauben und „Fürtücher" (Brusttücher) tragen,
waren sie doch damals ungleich in Gesittung, der Wälder stand tief unter dem
Markgräfler der Vorhügel. Wie dies seither geworden ist, vermag ich nicht zu
sagen. Die auffallende Verschiedenheit mochte ihren Grund teils in der größeren
Abgeschlossenheit der Gebirgsorte, teils mehr noch in deren rauherem Klima haben.
Der Wald, die Viehzucht brachten dem Wälder die Mittel zum Unterhalt des
Lebens, die sonnigen Hänge der Vorhügel spendeten den Bewohnern des Tieflandes
Weizen und Wein. Lebensweise und Genuß gestalteten sich für jene anders
als für diese.

Wie es einst war

Schon die verschiedene Art, wie die Leute dort und hier wohnten und ihre
Wohnräume beleuchteten, mußte bei der langen Dauer der Winternächte und des
Winters überhaupt einen verschiedenen Einfluß auf die Gesittung üben. Die Dörfer
des Hügellandes hatten nur ziegelgedeckte Häuser aus Stein oder Fachwerk mit
lichten, getünchten Stuben, worin das Talglicht und die Öllampe Eingang gefunden
hatten; das Petroleum diente damals noch nicht zur Beleuchtung. Das ruhige
Licht gestattete den Familien an den Winterabenden höhere geistige Unterhaltung
durch Lesen von Druckschriften. Anders in den Bergen. Hier herrschte noch das
flackernde Licht der billigen, stark rußenden Lichtspäne, die der Wälder selbst aus
dem Holze seiner Fichten und Tannen an der Schnitzbank schnitzte. Vom Ruß geschwärzt
, glänzten die Wände der Stuben in den geschindelten, strohbedeckten
Hütten. Das unruhige Licht taugte nicht zum Lesen. Brach der frühe Abend herein,
so sammelte sich die Familie in der dunklen Stube, und bald flammte der entzündete
Holzspan. Der Bauer streckte sich gähnend auf die warme Bank am riesigen
Kachelofen, Frau und Tochter, beim Hofbauern auch die Magd, spönnen den

7*

99


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgjb-1954/0098